Ski alpin: Vonn nach „75er“ auf Weg zu Ski-Geschichte

Cortina d‘Ampezzo/Wien (APA) - Lindsey Von ist nach ihrem „75er“ von Cortina d‘Ampezzo endgültig auf dem Weg, Skigeschichte zu schreiben. Nu...

Cortina d‘Ampezzo/Wien (APA) - Lindsey Von ist nach ihrem „75er“ von Cortina d‘Ampezzo endgültig auf dem Weg, Skigeschichte zu schreiben. Nur noch elf Siege trennen sie auf die seit 19. Februar 1989 vom Schweden Ingemar Stenmark gehaltene Weltcup-Bestmarke (86), die lange als unerreichbar gegolten hat. Den Damenrekord von Annemarie Moser-Pröll (62) hatte sie schon vor einem Jahr in Cortina ausgelöscht.

Vonn hat die meisten Damen-Siege insgesamt (75) und liegt neben dem Super-G (27) nun auch in der Abfahrt (37) alleine voran. Dabei könnte sie bereits länger die Rennfahrerin mit den meisten Siegen aller Zeiten sein, wäre da nicht der Sturz bei der WM in Schladming gewesen. 59 Siege und Hochform brachte sie mit, als sie sich am 5. Februar 2013 gleich im ersten Medaillenrennen, dem Super-G, schwerste Knieverletzungen zuzog. Es war der Beginn der bisher härtesten Zeit in ihrem Sportlerleben.

Nach einer neuerlichen Verletzung im Herbst-Training samt Anfangsturbulenzen um ihre Beziehung zu Golf-Superstar Tiger Woods konnte Vonn in der Folgesaison nur vier Rennen bestreiten und musste danach auch auf Olympia in Sotschi 2014 verzichten. Dadurch beschloss sie damals aber auch, bis 2018 weiter zu fahren, um in Korea nochmals um Edelmetall kämpfen zu können.

Das öffnete auch die Tür zu dem, wo sie nun ist. Am 6. Dezember 2014 gelang ihr in Lake Louise mit ihrem „60er“ der Comebacksieg. 15 weitere Erfolge hat sie seitdem folgen lassen.

Ob sie nun die beste Lindsey Vonn aller Zeiten sei, beantwortete die aus Minnesota stammende und in Colorado (Vail) lebende Amerikanerin nach ihrem jüngsten Doppelsieg in Zauchensee so: „Ich bin sicher stärker im Kopf als früher. Ich denke, ich fahre etwa so gut wie in der Saison 2011/12. Der Unterschied ist, dass ich älter und klüger bin, das hilft sicher. Ich bin definitiv die smarteste Skifahrerin, die ich jemals war. Und deshalb vielleicht auch die stärkste.“

Wenn es nur halbwegs in dieser Art weiterläuft, kann Vonn sogar noch im Kalenderjahr 2016 den Stenmark-Rekord in dieser seit Jänner 1967 existierende Rennserie namens Weltcup auslöschen. Doch die Amerikanerin, die erst kürzlich wieder gestanden hat, regelmäßig Antidepressiva zu nehmen, weiß, dass sie genau das Gerede über geschaffte und noch zu erreichende Rekorde zusehends beeinflusst. „Je mehr man über Rekorde spricht, desto schwieriger sind sie zu holen“, hielt sie auch in Cortina fest.

Auch ein Hündchen soll sie deshalb bei Laune halten. Lucy heißt das Tier, dass sie sich als emotionalen Begleiter für die langen Europa-Monate zugelegt hat. Daheim in den USA hat sie bereits zwei Vierbeiner.

„Es war für mich lange schwer vorstellbar, mehr Erfolg zu haben als meine Idole“, erzählte Vonn in Italien und erwähnte neben Moser-Pröll auch Renate Götschl. „Sie war zu ihrer Zeit praktisch unschlagbar“, sagte Vonn in Cortina, wo sie nun mit ihrem elften Sieg unter der „Tofana“ auch den dortigen Siegrekord der Steirerin (10) ausgelöscht hat. Die einst von Götschl beherrschte Skistation in den Dolomiten ist so etwas wie Vonns zweites Wohnzimmer, nur in Lake Louise (18) hat sie öfter gewonnen.

Das Ganze, so Vonn, sei „surreal“. Noch im Oktober 2014 hatte sie vor ihrem endgültigen Comeback in einem APA-Interview in Innsbruck gemeint, das Wichtigste sei nun, sich nie wieder zu verletzen. Seitdem gibt sie tatsächlich nicht mehr in allen Situationen ihr letztes Hemd, weicht allzu gefährlichen Situationen geschickt aus.

Dennoch gewinnt sie ein Rennen nach dem anderen. Messen wird man sie nun trotzdem auch an ihren Rekorden. Gerade deshalb versucht Vonn, das Thema vehement von sich zu schieben. „Wenn ich nach meinem Karriereende zurückschaue, werde ich das sicherlich genießen. Aber jetzt will ich nicht zu viel daran denken, denn es lenkt mich ab“, sagte sie in Cortina.

Lieber fokussiere sie sich nun einfach auf ihren Job. „Aber es stimmt schon. Insgesamt ist das alles unglaublich. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so weit komme in meiner Karriere. Hätte ich am Anfang darauf wetten müssen, hätte ich gegen mich gesetzt.“

Derzeit schwimmt Vonn wieder auf der Erfolgswelle, hat alleine diesen Winter bei 14 Starts schon acht Rennen gewonnen und ist ein Mal Zweite geworden. Wie schnell sich im alpinen Skirennsport alles ändern kann, hat man erst am Wochenende mit den vielen schweren Stürzen bei den Herren in Kitzbühel gesehen.

Die Amerikanerin verzichtet selbst dennoch auf den Airbag, weil sie ihre Protektoren für ausreichend hält. Den Ausfall von Aksel Lund Svindal bedauerte die 31-Jährige ausdrücklich. „Er ist ein Superstar, wir brauchen ihn auf der Tour. Ich habe mich so auf den Fight gegen Marcel (Hirscher, Anm.) gefreut. Ich hoffe sehr, Aksel kommt bald zurück.“

Die Nacht nach ihrem 75. Weltcupsieg war für Vonn eher kurz. Denn bis Mitternacht drückte sie als großer NFL-Fan am Sonntag ihren Denver Broncos beim 20:18 über die New England Patriots die Daumen.

Die in Colorado lebende Rennläuferin war dabei hin und her gerissen. „Ich mag Tom Brady, weil er auch ein Under-Armour-Athlet ist“, zeigte sie große Sympathie für den Quarterback der Patriots. „Aber unter dem Strich halte ich natürlich immer zu den Broncos“, bejubelte sie am Ende aber doch den Einzug von Denver in die 50. Super Bowl.