Bund will mit Bürokratieabbau-Paket ab Sommer Firmenfrustpegel senken
Wien (APA) - Ein neues Bürokratie-Entlastungspaket soll bis März fertig und vor dem Sommer im Parlament sein. Es soll den Frust von Unterneh...
Wien (APA) - Ein neues Bürokratie-Entlastungspaket soll bis März fertig und vor dem Sommer im Parlament sein. Es soll den Frust von Unternehmern mildern und Millionen einsparen, hoffen Wirtschaftsministerium und Wirtschaftskammer. Auch mit Österreichs unbedankten Fleißaufgaben bei der Umsetzung von EU-Vorgaben („Golden Plating“) soll Schluss sein. Ebenso mit Mehrfachstrafen für das selbe Verwaltungsdelikt.
Die Bürokratie wird von den Unternehmen als lähmend, frustrierend und bedrohend empfunden, gab Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl am Montag zu bedenken. In Zeiten wie diesen, wo Aufträge und Kunden weniger wurden, werde der Bürokratieaufwand noch stärker spürbar, sagte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. In der Wirtschaft komme es stark auf die Stimmung an. Die brauche jetzt einen Ruck nach vorn. Für einen Stimmungswandel werde es aber noch nicht reichen, wurde eingeräumt. Mitterlehner und Leitl sprachen von einer „Oase“, nicht von der Beseitigung der Wüste.
Lautstark ist gerade in diesen Wochen das Wehklagen von Firmen, die sich über Zusatz-Administration durch die neue Registrierkassenpflicht beschweren. „Das muss sich einspielen“, so Mitterlehner. Selbst in der Wüste gebe es Registrierkassen, sie seien europäischer Standard.
Europäischen Standard will Österreich auch erfüllen, wenn EU-Recht national umgesetzt wird. Leitl: „Wir versuchen aber immer Vorreiter zu sein und niemand dankt uns das.“ Als ein Beispiel gilt das Energieeffizienzgesetz. Auch Umweltverträglichkeitsverfahren laufen hier weit strenger ab als der EU-Standard. Ein anderes Beispiel ist die Kennzeichnung von Allergenen in der Gastronomie. In Italien werde das ganz anders gehandhabt und keiner schere sich drum. Leitl erzählte heute von einem Restaurant in Venedig, wo hinten im Raum ein Hinweis prangt: Wer Probleme mit Allergenen haben sollte, möge sich mit der Küche in Verbindung setzen.
„Wir sind da Musterschüler, machen Fleißaufgaben“, sagte Leitl. In der EU sei Österreich dafür bekannt, aus 60 Vorgaben 120 zu machen. Auch auf Europa-Ebene, bereits bei Richtlinienentwürfen, will sich Österreich verstärkt für einen Bürokratieabbau starkmachen.
Weitgehend ein Ende haben wird laut Mitterlehner und Leitl das „Kumulationsprinzip“ bei Verwaltungsstrafen. Einem Unternehmen mit neun Mitarbeitern war in der Pausenaufzeichnung ein Fehler unterlaufen, die Fehlentscheidung wurde in neun Fällen beanstandet und bestraft. Der Wegfall der Mehrfachbestrafung aus gleichartigem Anlass (bei ein und demselben Vergehen) war der Wirtschaft schon lang ein Anliegen. „Wenn ich in eine Rauferei verwickelt bin und ich teile neun Boxhiebe aus, werde ich ein Mal bestraft“, schilderte Leitl.
Weitere Schwerpunkte sind die Vereinfachung von Gründungen und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Es soll alles rascher gehen und billiger werden, so das Ziel. Bei der Gewerbe- bzw. GmbH-Anmeldung kann etwa die notarielle Beglaubigung durch die Handysignatur ersetzt werden. Es sollen auch weitere Brocken angegangen werden: Ein nächster Schwerpunkt im Jahr 2017 wird die Vereinfachung der Lohnverrechnung sein, wurde heute angekündigt.
Die Industriellenvereinigung nannte den Abbau von Überregulierung heute ein Gebot der Stunde. Die Abschaffung des Kumulationsprinzips bei Strafen im Verwaltungsstrafrecht, Optimierung der Verfahrensdauer bei UVP-Verfahren, schnellere und einfachere Betriebsanlagengenehmigungen durch One-Stop-Shops und einheitliche Regelungen in Bauangelegenheiten seien jedenfalls positiv zu bewerten, es brauche aber noch mehr, so die IV. Auf der Agenda halten will die Industrie moderne Arbeitszeitregelungen.
SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter verwies darauf, dass Entbürokratisierung und Entlastung bereits im Regierungsübereinkommen festgeschrieben seien. „Bürokratie-abbauenden und wachstumsfördernden Maßnahmen stehen wir jedenfalls nicht im Wege.“ Er erneuerte den Vorschlag, die Betriebe durch eine Wertschöpfungsabgabe zu entlasten.
Der FPÖ fehlt der Glaube, nachdem die ÖVP seit Jahren den Beginn eines Bürokratieabbaus verkünde. FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger verlangt für alle neuen Gesetze vorher einen „Bürokratie-Check“.
Die Grünen werfen der Regierung vor, dringend nötige Erleichterungen jahrelang verschleppt zu haben. Ruperta Lichtenecker, Wirtschafts- und Forschungssprecherin der Grünen, vermisst eine Entrümpelung und Modernisierung der Gewerbeordnung. Die NEOS sprechen von „Kosmetik“.