Private Nachforschungen: Polizisten in der Datenfalle
Immer wieder bringen private Nachforschungen in den Polizei-Datenbanken Beamte in Bedrängnis. Das Kontrollnetz ist engmaschig, geprüft wird nach dem Zufallsprinzip.
Von Thomas Hörmann
Innsbruck –Die Datenbanken der Polizei – eine Fundgrube für alle möglichen und unmöglichen Informationen. Jede Anzeige, jeder Zeugenhinweis, jedes Alkoholdelikt, jeder irgendwann geäußerte Verdacht (auch unbegründet) ist und bleibt im elektronischen Archiv der Exekutive gespeichert. Bei Ermittlungen ist diese „Krimipedia“ mittlerweile ein unverzichtbares Werkzeug. Aber auch eine Versuchung, die für so manchen Beamten vor Gericht oder der Disziplinarkommission endet.
Erst am vergangenen Montag musste sich ein Innsbrucker Polizist am Landesgericht verantworten. Der Beamte hatte über 40-mal den Namen seiner On-off-Freundin ins System eingegeben. Aus dienstlichen Gründen, betonte der Angeklagte. Ein Offizier widersprach, die Verhandlung wurde vertagt.
Der Beamte ist kein Einzelfall. Seit der „Spitzelaffäre“ (Weitergabe von Polizeidaten) vor 16 Jahren müssen sich regelmäßig Polizisten vor Gericht oder gegenüber dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung rechtfertigen, wenn ein Stöbern in den Polizei-Datenbanken dienstlich nicht nachvollziehbar erscheint. Momentan wird gegen mindestens vier Tiroler Polizisten ermittelt. Die Datenschutzkommission des Innenministeriums macht systematisch Jagd auf Beamte, die die sensiblen Polizeidaten für private Zwecke nutzen. Meist nach dem Zufallsprinzip – zuletzt fielen die Würfel auf das Landeskriminalamt in Innsbruck. Wie Offizier Karl Ritscher am vergangenen Montag als Zeuge beim Prozess gegen den Innsbrucker Polizisten angab, werden derzeit über 200 Personenanfragen der Tiroler Ermittler auf ihre dienstliche Notwendigkeit überprüft. Wer sich über eine Person informiert hat, die bei seinen Ermittlungen keine Rolle spielt, hat Erklärungsbedarf.
Allerdings gibt es Grauzonen, vor allem beim PAD genannten Protokollierungssystem, das Ermittlungsakten und Anzeigen enthält. Das ist das Brot-und-Butter-System der Beamten, „das PAD ist das erste Programm, das wir beim Dienstantritt aufmachen“, erzählte der Angeklagte bei der Verhandlung am vergangenen Montag. Trotz der sensiblen Daten haben die Polizisten uneingeschränkten Zugang zu dieser Datenbank. Im Gegensatz zum „Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem“ (EKIS; enthält u. a. das Strafregister und die Fahndungsdateien) müssen sich die Beamten nicht mit der Aktenzahl legitimieren, um im PAD Personen abzufragen. An sich eine sinnvolle Erleichterung – Polizisten im Innendienst können so schnell und effizient ihre Außendienst-Kollegen mit Informationen versorgen. Etwa, ob Herr X, dem demnächst ein Behördenbrief zugestellt werden soll, zur Gewalt neigt. Pro Innendienst, so versicherte der Beschuldigte, würden bis zu 100 PAD-Anfragen – davon der überwiegende Teil für die Außendienstler – anfallen. Das Problem: Für die Beamten ist es schwierig, für derartige Abfragen im Nachhinein eine Begründung zu liefern. So sieht das auch Thomas Praxmarer, Anwalt des Angeklagten: „Es ist ein Unding, dass das PAD ohne Einschränkungen einsehbar ist. Eine Legitimation, wie sie auch fürs EKIS nötig ist, wäre auch zum Schutz der Polizisten.“ Tatsächlich führt die fehlende Zugangsbeschränkung dazu, dass ein ungerechtfertigter Blick ins Protokollierungssystem erst gar nicht als Straftat oder Dienstverfehlung angesehen wird.
PAD hin, Legitimation her – dass zunehmend neugierige Beamte bei privaten Nachforschungen in den Polizeidatenbanken erwischt werden, ist auch ein Ausdruck des Zeitenwandels. „Früher war’s für viele normal, dass man sich beispielsweise die Telefonnummer einer hübschen Frau mit Hilfe ihres Autokennzeichens im Polizeiarchiv besorgte“, schildert ein altgedienter Beamter: „Bis vor etwa 20 Jahren hatten wir auch noch personenbezogene Karteikarten. Da war’s nicht nachvollziehbar, ob eine Information dienstlichen oder nur privaten Zwecken dient.“