Flüchtling - Internationale Pressestimmen nach dem EU-Rat

Athen/Brüssel (APA/AFP/dpa) - Europäische Tageszeitungen schreiben am Dienstag zum Umgang Europas mit der Flüchtlingskrise:...

Athen/Brüssel (APA/AFP/dpa) - Europäische Tageszeitungen schreiben am Dienstag zum Umgang Europas mit der Flüchtlingskrise:

„Le Monde“ (Paris):

„Die EU ist wie gelähmt. Sie schafft es nicht, den Plan zur Verteilung der Flüchtlinge umzusetzen, den sie beschlossen hat. Europa versucht, sich zu verbarrikadieren. Die Mehrheit der amtierenden europäischen Regierungen ist der Ansicht, nicht so viele Männer, Frauen und Kinder auf würdevolle Weise integrieren zu können. Es gibt aber nun mal keine nationale Lösung für ein so transnationales Problem wie den Umgang mit den großen Flüchtlingsströmen dieser Epoche. Ob es nun gefällt oder nicht, wenn dieser Frage nicht mit ‚mehr Europa‘ begegnet wird, besteht die Gefahr, dass gar nichts mehr übrigbleibt.“

„de Volkskrant“ (Amsterdam):

„Jahrelang hat Griechenland die Hilfe durch die Europäische Grenzschutzagentur Frontex und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) zurückgewiesen. Erst als mit dem Ausschluss aus dem Schengenraum gedroht wurde, hat es ein Hilfeersuchen gestellt. Das war im Dezember. Seitdem ist die griechische Küstenwache auf rund 20 Schiffe vergrößert worden. Europa hat 800 Grenzbewacher entsandt. Jedenfalls auf dem Papier. Anfang Jänner war nicht einmal die Hälfte angekommen. Die zugesagte Unterstützung reicht längst nicht aus, um Flüchtlinge abzuhalten, die derzeit in durchschnittlich 50 Schlauchbooten pro Tag griechische Inseln erreichen. Und das im Winter. Im vergangenen Sommer kamen pro Tag Zehntausend Flüchtlinge in Hunderten Booten über das Ägäische Meer. Die Küstenwache hat keine andere Wahl, als Flüchtlinge sicher an Land zu bringen, wenn sie einmal griechische Hoheitsgewässer erreicht haben. Sie zurückzuschicken wäre gefährlich und zudem sinnlos.“

„Lidove noviny“ (Prag):

„Die Europäische Kommission war nicht müßig und hat schon einmal ausgerechnet, wie viele Beamte davon leben könnten und wie viel sie bezahlt bekommen würden. Schwer zu sagen, ob das eine gute Nachricht für die italienischen Polizisten ist, die in den Flüchtlingslagern arbeiten und noch nicht einmal über schnelles Internet verfügen. Für Warschau, wo die bestehende Agentur Frontex ihren Sitz hat, ist es zweifellos eine gute Nachricht. Die polnische Metropole darf sich auf neue EU-Bürokraten freuen, die dort leben und Geld ausgeben werden. Zweifellos kann kein Staat allein die Flüchtlingswelle beherrschen. Je mehr Zusammenarbeit es gibt, desto besser. Nur sollte die EU-Kommission nicht so deutlich zeigen, welch gutes Leben sie für ihre Beamten aus der Krise herausschlagen kann.“

„Neue Zürcher Zeitung“:

„Die sich abzeichnende Verlängerung der Grenzkontrollen hätte aus EU-Sicht den Vorteil, dass Brüssel eine Führungsrolle erhielte und es nicht zu nationalen Alleingängen käme. Zudem blieben die Kontrollen im rechtlichen Rahmen von Schengen. Allerdings würde die Reisefreiheit als Grundidee von Schengen ad absurdum geführt, und es wäre politisch nicht einfach, die Kontrollen je wieder aufzuheben. Vor allem aber lösen die Kontrollen die Krise nicht, sondern sind im geltenden völkerrechtlichen Rahmen bloss innenpolitische Signale. Die letzten Monate haben gezeigt, dass sie die Flüchtlingsströme allenfalls zu ordnen, aber nicht abzuhalten vermögen.“