Brasilien

Zika-Epidemie: 220.000 Soldaten und ein Virus

Das Zika-Virus wirkt sich auch auf den Karneval in Rio aus. Überall im Land werden Insektenvernichtungsmittel gesprüht.
© AFP

Nur wenige Monate vor den Olympischen Spielen in Brasilien versetzt das Zika-Virus Lateinamerika in Angst und Schrecken. Es soll Ungeborene im Mutterleib massiv schädigen.

Rio de Janeiro –220.000 Soldaten werden in den kommenden Wochen in Brasiliens Armenvierteln kämpfen. Nicht gegen Eindringlinge, Terroristen oder Kriminelle, sondern gegen die Gelbfiebermücke und deren Larven. Sie suchen nach kleinen Wasserlachen, wo sich die Mücke wohl fühlt und ihre Brut ablegt, und versuchen, sie trockenzulegen. Die Menschen werden dazu aufgerufen, sich vor Stichen zu schützen. In Krankenhäusern der Großstadt Recife verfolgen Mütter derweil äußerst angespannt, wie mit einem Zentimeterband die Schädel ihrer Babys gemessen werden.

Im Norden Brasiliens nahm im Mai 2015 die dramatische Ausbreitung des von der Aedes-­Mücke übertragenen, mysteriösen Zika-Virus in Amerika ihren Ausgang. Der Verdacht: Die massive Häufung eines zu kleinen Schädelvolumens bei Neugeborenen könnte mit einer Zika-Infektion bei Schwangeren im Zusammenhang stehen.

400.000 schwangere Frauen aus ärmeren Schichten sollen nun kostenlos Moskitoschutzmittel erhalten. Brasilien rief wegen der starken Mikro­zephalie-Zunahme schon im November den gesundheitlichen Notstand aus. Von 3893 bisher festgestellten Fällen an Schädelfehlbildungen, die bei Kindern wegen des zu kleinen Gehirns zu geistiger Behinderung führen, konnte bei sechs eine vorherige Infizierung der Schwangeren mit dem Zika-Virus nachgewiesen werden.

Das Virus verunsichert auch viele Touristen. „Schwangere sollten generell von vermeidbaren Reisen in Zika-Endemie-Gebiete absehen“, raten jedenfalls österreichische Tropenmediziner.

Klar bewiesen ist bisher allerdings nichts. Auch nicht, dass das Virus das Guillain-Barré-Syndrom auslösen kann, das mit Lähmungserscheinungen verbunden ist und auch Männer betrifft. „Es sind weitere Forschungsanstrengungen notwendig, bevor gesagt werden kann, ob es irgendeinen Zusammenhang gibt“, betont die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie warnt inzwischen aber vor der Ausbreitung des Zika-Virus auf den gesamten amerikanischen Kontinent.

Das Virus wurde 1947 im Zikawald in Uganda entdeckt, daher der Name. Das Ungeklärte: In Afrika kam es nach bisherigen Erkenntnissen nicht zur Häufung an Schädelfehlbildungen im Zusammenhang mit Zika, ohnehin tauchte es dort nur sporadisch auf. 2007 wurde Zika dann plötzlich im Pazifikraum (Mikronesien) festgestellt, einen größeren Ausbruch gab es 2013/2014 in Französisch-Polynesien, dort wurde damals auch ein ungewöhnlicher Anstieg des Guillain-Barré-Syndroms festgestellt. Aber erst mit Auftreten in Brasilien kam es zu der massiven Ausbreitung. Eine Theorie ist, dass das Virus womöglich von Touristen während der Fußball-WM 2014 nach Brasilien eingeschleppt worden sein könnte.

Es ist nun schon in 21 Ländern Amerikas festgestellt worden, vom Karibikstaat Barbados bis Venezuela. Neben Brasilien ist Kolumbien besonders betroffen: Hier wurden seit Oktober rund 13.500 Zika-Infektionen registriert. Kolumbiens Gesundheitsministerium rät bereits Frauen, geplante Schwangerschaften aufzuschieben. „Angesicht der Phase, in der sich die Epidemie befindet, und des bestehenden Risikos, raten wir Paaren, von einer Schwangerschaft bis Juli 2016 abzusehen.“ Der Ratschlag gilt für Frauen, die auf Höhen unter 2200 Metern leben.

Bis in die USA hat sich Zika ausgebreitet, rund ein Dutzend Fälle gibt es hier, nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC eingeschleppt aus Ländern Lateinamerikas. Laut WHO könnten nur Chile und Kanada auf dem amerikanischen Kontinent verschont bleiben, da hier die Aedes-Mücke nicht vorkomme. Bisher gibt es keinen Impfstoff – nun werden in Ländern wie Brasilien die Forschungs- und Präventionsmaßnahmen massiv hochgefahren. Gerade auch mit Blick auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im August soll jede Gefahr vermieden werden. Von Vorteil könnte sein, dass die Spiele im südamerikanischen Winter stattfinden, wenn die Mückengefahr geringer ist.

An 56.000 Hotels, Bars und Restaurants im ganzen Land wurde ein Maßnahmenkatalog verschickt, um die Aedes-Mücke besser zu bekämpfen, die auch Dengue und Gelbfieber überträgt. Umgerechnet 422 Mio. Euro will Brasilien im Kampf gegen das Zika-Virus ausgeben, über 550 Tonnen Anti-Moskitomittel und Pestizide sollen eingesetzt werden. (dpa, TT)

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