Protestbrief aus Bayern setzt die deutsche Regierung unter Druck
„Ankündigung des Koalitionsbruchs“ nannte SPD-Fraktionschef Oppermann den Brief. Die bayerische Regierung fordert darin von Angela Merkel eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik.
München - Die von der CSU geführte bayerische Staatsregierung hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun formal in einem Brief zu einem Kurswechsel in ihrer Flüchtlingspolitik aufgefordert.
Herrmann: „Kein Drohbrief“
In dem Brief werde Merkel aufgefordert, „unverzüglich“ wieder Recht und Ordnung beim Grenzschutz und der Einreise wiederherzustellen, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag in München vor Journalisten. Der Brief an Merkel solle am Freitag auch im Internet veröffentlicht werden.
Herrmann sagte, das Versenden des Briefs sei ein formeller Akt im Zusammenhang mit der von Bayern bereits seit Wochen angedrohten Klage gegen den Bund vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Vor solch einer Klage sei es nötig, dem Partner unmissverständlich klar zu machen, was gefordert werde. „Das ist kein Drohbrief, das ist ein Brief, in dem steht, was wir erwarten“, sagte Herrmann.
Parallel wird Verfassungsklage weiter vorbereitet
Nach Angaben des bayerischen Justizministers Winfried Bausback (CSU) will Bayern parallel zu dem Versenden des Briefs einen weiteren Schritt bei der Vorbereitung der Klage machen. Das Kabinett habe beschlossen, in den nächsten Tagen zu entscheiden, wer als Prozessbevollmächtigter den Freistaat im Fall einer Klage vertreten soll und von diesem vorsorglich auch die Klageschrift vorbereiten zu lassen.
Bayern hatte sich zuletzt von dem früheren Verfassungsrichter Udo di Fabio beraten lassen. In einem Gutachten für den Freistaat kommt di Fabio zu dem Schluss, dass die derzeitige Einwanderungspraxis nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehe.
SPD: „Ankündigung des Koalitionsbruchs“
Die SPD, Koalitionspartner im Bund, kritisierte den geplanten Brief mit scharfen Worten. „Das ist die Ankündigung des Koalitionsbruchs“, erklärte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag in Berlin. „In der Koalition schreibt man keine Drohbriefe, sondern löst Probleme.“
Oppermann nannte es „unerträglich, dass aus CDU und CSU mittlerweile täglich neue Querschläge kommen“. Damit werde die Lösung der Flüchtlingskrise „immer schwieriger“.
CSU beschwichtigt Koalitionspartner
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt wies die dramatische Bewertung Oppermanns zurück. Die Gefahr eines Koalitionsbruchs sehe sie „überhaupt nicht“, sagte Hasselfeldt in Berlin. Der Brief mache vielmehr deutlich, dass „dringender Handlungsbedarf“ in Sachen Flüchtlingspolitik bestehe.
Die Möglichkeit einer Klage vor dem Verfassungsgericht bewertete Hasselfeldt als „rechtliche Geschichte“. Das andere sei die „politische Arbeit“, die in der Koalition aus CDU, CSU und SPD fortgesetzt werden müsse. Sie mahnte, der Brief aus München „entbindet uns nicht davon, gemeinsam nach Mitteln und Wegen zu suchen, das Problem auf politischer Ebene zu lösen“.
Sie betonte, dass im Falle des Falles auch nicht die CSU gegen die Bundesregierung klagen werde, der sie ja selbst angehört. Kläger wäre vielmehr die bayerische Landesregierung, auch wenn diese von der CSU gestellt werde. „Wir wollen das rechtlich schon auseinanderhalten“, sagte Hasselfeldt. (APA/AFP)