Documenta 15 Monate vor Beginn kaum sichtbar
Kassel (APA/dpa) - Die Documenta findet nur alle fünf Jahre statt - doch 15 Monate vor ihrem Beginn 2017 ist die weltweit wichtigste Ausstel...
Kassel (APA/dpa) - Die Documenta findet nur alle fünf Jahre statt - doch 15 Monate vor ihrem Beginn 2017 ist die weltweit wichtigste Ausstellung zeitgenössischer Kunst kaum sichtbar. Während vor der 13. Ausgabe 2012 das eine oder andere Kunstwerk in Kassel bereits zwei Jahre vorher zu sehen war, sucht man für die Weltkunstschau 2017 vergebens danach. Doch das hat Methode.
Zur Documenta 14 wurde bislang eine Ausgabe einer Zeitschrift herausgebracht. „Außerdem arbeiten wir an der Gestaltung des Teils der Ausstellung, der die Darstellung und Diskussion des Gurlitt-Nachlasses beinhaltet“, sagt der künstlerische Leiter der Documenta 14, Adam Szymczyk, der Deutschen Presse-Agentur. Er hat Athen als zweiten Standort der D14 bestimmt und dafür viel Kritik einstecken müssen. Dort wurde ein Planungsbüro eingerichtet. Jede Documenta hat einen neuen Chef, der traditionell über große künstlerische Freiheiten verfügt.
„Das kann unmöglich alles sein - hoffe ich zumindest. Entweder hält die Documenta 14 ihre Vorbereitungen höchstgeheim, oder es wird eine sehr minimalistische Veranstaltung“, kritisiert der Kunstexperte und Buchautor („Ist das Kunst oder kann das weg?“) Christian Saehrendt.
Allerdings: Die Geheimniskrämerei hat bei der Documenta seit jeher Methode. Die Künstlerliste soll möglichst lange geheim gehalten werden. Damit sollen zum Beispiel Kunstmarkt-Insider-Geschäfte ausgebremst werden, es bewahrt vor Kritik im Vorfeld und macht natürlich neugierig auf die Schau. „Doch im Fall der D14 scheint die Vernebelungstaktik zum Konzept zu gehören“, sagt Saehrendt. Vermutlich sei die Ausstellung diesmal als Gegenentwurf zu den vorangegangenen „populistischen Mammutausstellungen“ geplant, die auch „Karneval der Kunst“ genannt wurden. „Nach dem Motto: Schluss mit lustig, Kunst muss wieder anstrengend und vergrübelt werden. Ich erwarte harte Zeiten für das Documenta-Publikum“, sagt Saehrendt.
„Ich möchte mich ungern der Tyrannei der Transparenz und Sichtbarkeit beugen. Es geht uns nicht so sehr um Sichtbarkeit, sondern um Lesbarkeit“, betont dagegen Szymczyk. Trotzdem sei die Ausstellung wahrnehmbar durch öffentlichen Auftritte, das Magazin und die Website. „Dann ist noch zu sagen, dass die Documenta 14 ein gänzlich anderes Projekt als die Documenta 13 ist“, sagt der Chefkurator.
Laut Szymczyk werden in Kassel derzeit Themen zur sozialen, politischen und kulturellen Geschichte der Stadt entwickelt - „von der Zeit der Herrschaft der Landgrafen bis zum Nationalsozialismus, vom Wiederaufbau der Stadt (...) bis zur Manifestation des Neoklassizismus“.
Die Documenta-Kuratoren hätten zuletzt zwanghaft brisante Themen wie Griechenlandkrise, Flüchtlingsströme aufgegriffen, „um dem leerlaufenden Kunst-Zirkus politische Relevanz zu verschaffen“, kritisiert dagegen Saehrendt. „Die Kunstwerke spielen hier oft nur die Rolle von Illustrationsmaterial für Kuratorenthesen und -karrieren.“
Die 14. Documenta wird im April 2017 zunächst in Athen und am 10. Juni 2017 in Kassel eröffnet und schließt dort nach genau 100 Tagen am 17. September 2017. Der Arbeitstitel der Ausstellung: „Von Athen lernen“. Die Documenta gilt als weltweit bedeutendste Schau zeitgenössischer Kunst. Zur Documenta 13 kamen 2012 mehr als 860 000 Besucher nach Kassel.
Für Szymczyk stellt sich die Frage, „was Kunst in unserer Gegenwart überhaupt tun kann“. Dies sei einer der Gründe für Kassel und Athen. „Um durch diesen Parallaxe-Effekt, der aus den unterschiedlichen Standpunkten der Ausstellung resultiert, etwas über die Welt zu lernen.“
Für Kritiker Saehrendt ist die Aufteilung der Documenta 14 in Kassel und Athen jedoch bedenklich. „Die Sorge ist berechtigt, dass die Documenta mit dem Athen-Gastspiel ihren einzigartigen Charakter verliert und im globalen Biennalenzirkus aufgeht.“
Es drohe zudem eine Spaltung des Publikums: „Asiaten und Amerikaner, internationale Medienvertreter und Fachbesucher werden Athen besuchen, nicht aber auch noch Kassel. Dieses bleibt dann denjenigen überlassen, die aus Mitteleuropa oder aus der Region Hessen selbst stammen.“ Heraus käme eine Zwangsprovinzialisierung des Documenta-Standorts Kassel. „Es besteht also das Risiko eines selbst verschuldeten Abstiegs in die Zweite Liga des Kunstbetriebs.“
Indirekt forderte er eine Ablösung des künstlerischen Leiters. „Für einen Szymczexit ist es noch nicht zu spät. Und spannend wäre es allemal, ein Wechsel in der Chefetage, so kurz vor Beginn der Show!“
(S E R V I C E - http://www.documenta14.de)