Formel 1: Berger kritisiert Königsklasse: „Versteht kein Mensch“

Wien (APA) - Aggressiverer, lauter, schneller, spannender! So soll die Formel 1 in Zukunft sein, um die Fans wieder an die TV-Schirme und St...

Wien (APA) - Aggressiverer, lauter, schneller, spannender! So soll die Formel 1 in Zukunft sein, um die Fans wieder an die TV-Schirme und Strecken zu bekommen. Offenbar ist aber bei der aktuellen Weichenstellung nicht sehr viel herausgekommen. Demnach bleiben die V6-Hybrid-Turbos, werden aber lauter und günstiger. Mit der aktuellen Situation der „Königsklasse“ ist nicht nur Gerhard Berger höchst unzufrieden.

Der ehemalige Grand-Prix-Pilot (210 Starts, 10 Siege) wähnt die Formel 1 vielmehr in einer Einbahnstraße. „Wir haben eine echt schwierige Zeit. Mercedes hat seine Hausaufgaben natürlich gut gemacht und verdient jeden Respekt. Aber als Fans wünschen wir uns mehr Zweikämpfe, mehr Spannung“, sagte der 56-jährige Tiroler jüngst beim spektakulären Showrun von Max Verstappen auf dem schneebedeckten Gipfel des Kitzbüheler Hahnenkamms. „Zu meiner Zeit“, so Berger, „war die Formel 1 noch ein Ritt auf der Kanonenkugel. Heute ist nach der ersten Kurve klar, wer das Rennen gewinnen wird.“

Der zehnfache GP-Sieger ist gar nicht glücklich, in welche Richtung sich sein Sport speziell seit der Verwendung der aktuellen Antriebe entwickelt hat. „Auch früher hat es Überlegenheiten gegeben. Aber auch eine Menge Ausfälle. Heute bleibt kein Auto mehr stehen, es gibt keine Überraschungseffekte. Kein Spritmangel, keine Motorschäden, keine Bremsdefekte. Früher war bis zur letzten Runde gar nichts sicher, heute ist die Spannung früh draußen.“

Und, so Berger: „Zu meiner Zeit wurden Fahrfehler noch bestraft. Heute sind Auslaufzonen betoniert. Mit Glück verlierst du bei einem Ausritt nicht einmal eine Position.“

Hauptgrund für die Misere ist auch für den Österreicher das „irrwitzige“ Reglement. Zu brav, zu wenig spektakulär, zu kompliziert. „Da bekommen McLaren und Alonso 100 Plätze Strafversetzung. Das versteht doch keine Sau, ‚tschuldigung, kein Mensch mehr.“

Zudem, so Berger, seien die aktuellen Fahrer zu wenig gefordert. „In den 80er-Jahren fuhren wir Autos mit bis zu 1.400 PS, und das ohne automatisches Getriebe, Elektronikhilfen oder heutiger Aerodynamik. Heute haben sogar Straßensportwagen so viel PS wie ein Formel 1“, moniert der ehemalige Ferrari-Pilot, der 1989 bei einem Feuerunfall in Imola knapp dem Tod entkommen war.“Ich hoffe sehr, dass Ferrari zu Mercedes aufschließt und Red Bull als vielleicht immer noch bestes Team punkto Motoren Fortschritte macht.“

Berger verwies auf die spektakuläre MotoGP als Gegenbeispiel. „Die haben 270 PS und 160 Kilo und kleine Auflageflächen. Das ist genau der Ritt auf der Kanonenkugel. Dort muss man wieder hin, nämlich dass der Pilot wieder der entscheidende Faktor ist, dass nur vier oder fünf Fahrer überhaupt in der Lage sind, das auch zu beherrschen“, fasste Berger zusammen, was er vermisst. Er ist überzeugt: „Es muss sich etwas ändern, wenn man die Fans langfristig am Bildschirm halten will.“

Ob sich tatsächlich etwas ändert, wird man frühestens am Monatsende wirklich wissen. Laut einigen Fach-Websites wie „auto, motor und sport“ bleibt es nach den jüngsten Strategiesitzungen bei den aktuellen Antrieben, auch wenn sie etwas lauter und günstiger werden sollen. Nachtanken werde es demnach aber ebenso wenig geben wie den „unabhängigen“ Motor, den sich u.a. auch Red Bull wünschte.

Die Österreicher, die diese Woche bei den Regenreifentests in Frankreich zusammen mit Ferrari und McLaren die Saison 2016 „eröffneten“, waren vergangenes Jahr lange ohne Motor für 2016 dagestanden. Bei Red Bull startet man nun zwar erneut mit Renault-Antrieben, ist aber wenig zuversichtlich, dass sich schnell etwas ändert. „Wenn sich nichts ändert, wird es die übliche Mercedes-Überlegenheit geben“, ist etwa Motorsportdirektor Helmut Marko überzeugt. „Das aktuelle Reglement ist leider so einschränkend, dass man einen Rückstand gar nicht aufholen kann.“

Auch beim vierfachen Weltmeisterteam ist man der Überzeugung, dass die Formel 1 wieder mehr Spektakel braucht. „Wir brauchen Motoren mit brachialer Gewalt und Sound“, sagte Marko. „Und der Fahrer sollte mit dem Gas bestimmen, wie er reagiert und nicht die Ingenieure im Hintergrund.“

Marko plädiert für diese Änderungen „im Sinne des Sports“. Laut dem Grazer müssten der Motorsport-Weltverband (FIA) sowie Bernie Ecclestone von ihrem aktuell außerordentlichen Recht Gebrauch machen, um drastische Veränderungen herbeizuführen. Durch die aktuelle Motorenformel hätten nämlich die Hersteller das Kommando an sich gerissen. „Die Macht sollte aber nicht bei den Teams sein, sondern dort, wo sie von den Gesetzen her angesiedelt ist. Sportlich bei der FIA und bei der FOM für den kommerziellen Bereich.“

Zumindest ein Dilemma sollte den Teilnehmern künftig erspart bleiben, betonte Marko: „Es darf nicht passieren, dass ein Team so wie zuletzt wir durch gekonnte Intrigenspiele letztlich ohne Motor im Regen steht.“

Offenbar tut sich bei Renault aber Positives, nachdem man Lotus übernommen hat. Red Bull ist nun nicht mehr das Werksteam. „Wir sind aber vertraglich abgesichert, haben den gleichen Status“, betonte Marko gegenüber der APA - Austria Presse Agentur. Der Österreicher ist sogar von etwas anderem überzeugt: „Wenn ich mir das derzeitige Lotus-Team anschaue und die (Renault, Anm.) nur halbwegs bei Verstand sind, müssen die alles auf uns setzen. Denn mit diesem Team und diesen Fahrern reißen die praktisch überhaupt nichts.“