Klinischer Mehraufwand - Bund-Länder-Konflikt seit 1950er Jahren
Wien (APA) - Seit den 1950er-Jahren ringen Bund und die Länder Wien, Tirol und Steiermark regelmäßig um die Abgeltung des sogenannten Klinis...
Wien (APA) - Seit den 1950er-Jahren ringen Bund und die Länder Wien, Tirol und Steiermark regelmäßig um die Abgeltung des sogenannten Klinischen Mehraufwands (KMA), der die Mehrkosten, die an Uni-Kliniken durch Lehre und Forschung entstehen, abgelten soll. Hintergrund des Konflikts ist der Umstand, dass die Länder für die Patientenversorgung zuständig sind und der Bund für die Aufgaben Lehre und Forschung.
An Universitätskliniken werden nicht nur Patienten behandelt, sondern es wird auch geforscht und gelehrt. Das verursacht zusätzliche Kosten. Laut dem Gesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KaKuG) hat der Bund diese Kosten in Form des KMA zu ersetzen. Problem: Dass die Errichtung eines Hörsaals der Lehre zuzurechnen ist, ist eindeutig. In vielen Fällen wie etwa Investitionen in neue Geräte ist die Zuordnung zu den Gebieten Forschung, Lehre oder Krankenversorgung aber nicht klar und hat schon mehrfach den Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigt.
Dieses Problem sollte eigentlich der Wissenschaftsminister entschärfen: Gemäß Paragraph 56 des KaKuG sind die näheren Vorschriften über die Kostenersätze per Verordnung festzulegen - seit den 1950er-Jahren hat das allerdings kein Minister getan. Stattdessen haben Bund und die einzelnen Länder das Thema stets mittels befristeter Verträge gelöst, die je nach Uni-Standort unterschiedlich aussehen.
Grundsätzlich gliedert sich der KMA in drei Bereiche: Der bar abgegoltene Mehraufwand, die Investitionen sowie die sogenannte „Gestellung“ der Ärzte - also wo die Mediziner beschäftigt sind. Je nachdem, ob der Bund schon die Kosten für die Ärzte trägt, sind die anderen beiden Posten höher oder tiefer. In Wien (AKH) sind etwa alle Ärzte Bedienstete der Medizin-Uni, also des Bundes. In Graz und Innsbruck beträgt dieser Anteil nur etwa die Hälfte. Dementsprechend sind der Bar-KMA und die Investitionen, die der Bund über die Medizin-Uni der Stadt Wien zu ersetzen hat, verhältnismäßig geringer als in der Steiermark und Tirol.
So zahlte der Bund für die abgelaufene Periode 2005 bis 2015 (die auch Regelungen für das Jahr 2004 enthielt) für den Bar-KMA jährlich abnehmend zwischen 58 Mio. Euro (2004) und 35 Mio. Euro (2015). Für die Investitionen wurden jährlich zwischen 20 und 25 Mio. Euro und damit rund ein Drittel der Gesamt-Kosten überwiesen.
Mangels ministerieller Verordnung nach wie vor ungeklärt ist an allen Standorten, wie hoch der KMA nun in der Realität ist. In den 1950er-Jahren wurde dieser mit 18 Prozent auf Basis der laufenden Betriebsausgaben des Krankenhauses angesetzt. Mittlerweile gibt es neue Berechnungen, die von einem KMA von 27 bis 32 Prozent des Gesamtkostenbudgets ausgehen. Etwaige endgültige Klärungen durch den VfGH sind bisher nicht erfolgt: Zuletzt verglichen sich Bund und Tirol in einem Rechtsstreit, noch bevor das Höchstgericht über die Höhe des KMA entschied.
Die Abgeltung des KMA erfolgt deshalb aufgrund von Verhandlungen auf Basis von Schätzungen und zurückliegenden Erhebungen. Nicht einfacher wird eine klare Lösung durch den Umstand, dass der Bund mit der Ausgliederung der Medizin-Unis die Aushandlung des KMA an die Hochschulen abgewälzt hat. In allen Ländern wurde daher eine Lösung gewählt, die eine befristete Pauschalabgeltung des KMA vorsieht.
Die unterschiedlichen Zuordnungen der Ärzte zu Land und Bund in Graz und Innsbruck führen darüber hinaus zu gewissen Reibungsverlusten und Problemen: Primarärzte haben deshalb unter Umständen kein Weisungsrecht gegenüber Untergebenen, „Landesärzte“ keine Verpflichtung zu Forschung und Lehre. Darüber hinaus gibt es mitunter unterschiedliche Bestimmungen für Nebentätigkeiten. In Wien sind wiederum zwar alle Ärzte bei der Medizin-Uni angestellt, das Pflegepersonal aber bei der Stadt.