Weltwirtschaftslage gefährdet Zinswende der US-Notenbank
Dass die Fed den Leitzins zunächst nicht weiter erhöhen wird, war erwartet worden. Die Notenbanker rückten die weltwirtschaftlichen Risiken stärker in den Fokus. Kritiker sehen die im Dezember gestartete Zinswende gefährdet.
Washington - Die US-Notenbank will den Leitzins zunächst bei einer Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent belassen und ihn nicht weiter erhöhen. Diese Entscheidung wurde zurückhaltend aufgenommen; die Börse in New York reagierte mit Kursverlusten von etwa 200 Punkten. Dieser Schritt der Federal Reserve war erwartet worden.
Turbulenzen an den Aktienmärkten, massiver Verfall der Ölpreise, Sorgen um China: Die Weltwirtschaft ist mit schlechten Vorzeichen ins neue Jahr gestartet. Selbst aus den USA gibt es Schwächesignale. Für die gerade erst eingeleitete Abkehr der US-Notenbank Fed von den Nullzinsen ist das Timing ungünstig. Kein Wunder, dass die Notenbanker am Mittwoch nicht weiter an der Zinsschraube gedreht haben. Man wolle zunächst beobachten, wie sich die Entwicklung der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte auf die amerikanische Wirtschaft auswirkten, hieß es. Hat die Fed mit ihrer Zinswende einen Fehlstart hingelegt?
Die Fed hatte im Dezember erstmals nach sieben Jahren das Zinsniveau leicht um 0,25 Punkte angehoben und damit ein Ende der Ära besonders billigen Geldes eingeleitet. Kritiker hatten die mächtigste Notenbank der Welt gewarnt: Eine Abkehr von der Politik des superbilligen Geldes, sei mit Blick auf die schwächelnde Weltwirtschaft gefährlich. Denn steigende Zinsen in den USA machten Geldanlagen dort attraktiver. Anleger, die zuvor auf der Jagd nach Rendite in Schwellenländer investiert haben, könnten ihr Geld fluchtartig abziehen. Das könnte die ohnehin schon angeschlagene Weltwirtschaft zusätzlich ins Wanken bringen. Davon wären am Ende alle betroffen.
Turbulente Zeiten auch in China
Nachdem die Fed im Dezember erstmals seit der Finanzkrise die Zinsen angehoben hat, dürften sich die Kritiker inzwischen bestätigt fühlen: Seit dem Jahresbeginn kommen die Finanzmärkte aus den Turbulenzen kaum noch heraus. Das neue Jahr hatte in China gleich mit zwei Kurseinbrüchen an den Börsen um mehr als sieben Prozent begonnen, die chinesische Führung musste mehrfach den Handel einstellen. Die Schockwellen ließen rund um den Globus die Kurse abstürzen. Die Chinesen bemühen sich seither um Stabilisierung und kämpfen mit erheblichen Markteingriffen gegen die Folgen einer massiven Kapitalflucht.
Zu allem Überfluss sorgt gleichzeitig ein Absturz der Ölpreise für Turbulenzen. Öl ist derzeit so billig wie seit etwa zwölf Jahren nicht mehr. Ein Ende ist nicht in Sicht. Was den Autofahrer an der Tankstelle freut, setzt Ölexportländer massiv unter Druck. Insgesamt haben sich die Aussichten für die Weltwirtschaft verschlechtert. „Die Wachstumserwartungen scheinen konsequent zu fallen“, sagte Maurice Obstfeld, Chefökonom beim Internationalen Währungsfonds (IWF).
Industrie in den USA gibt Grund zur Sorge
Besonders beunruhigend für die Fed: Die Verwerfungen hinterlassen offenbar auch in den USA ihre Spuren. Die Exportentwicklung sei zuletzt schwach gewesen, so die Notenbank. Das Wirtschaftswachstum habe sich abgeschwächt, die Konsumausgaben und Investitionen seien nur moderat gewachsen. Das größte Sorgenkind ist die Industrie. Sie schrumpft bereits seit Monaten, zuletzt überraschend stark. US-Unternehmenschefs beobachten zudem mit Sorge die Entwicklungen im Ausland. „Wir sehen extreme, bisher nie dagewesene Bedingungen, wo auch immer wir hinschauen“, sagte Apple-Chef Tim Cook jüngst.
Die Zinswende macht es der US-Wirtschaft noch schwerer, mögliche Schocks zu verdauen. Seit Dezember hat der Dollar um zwei Prozent an Wert gewonnen. Das macht US-Produkte im Ausland teurer und dadurch weniger attraktiv. Gleichzeitig werden Importe billiger, was auf die Teuerungsrate drückt. Und das, obwohl die Fed eigentlich gegen die aus ihrer Sicht viel zu niedrige Inflationsrate von 0,7 Prozent ankämpfen will. „Der Einfluss eines stärkeren Dollar auf die Wirtschaft und die Inflation ist erheblich“, sagt Robert Mellman, leitender Ökonom bei der US-Bank JPMorgan Chase.
Auswirkungen auf den Euro
Die Entscheidung der Fed, den Leitzins unangetastet zu lassen, stärkte den Euro nur vorübergehend. Der Euro hat am Donnerstag nachgegeben und die Gewinne nach der Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed am Vorabend wieder verloren. Am Morgen kostete die Gemeinschaftswährung 1,0875 US-Dollar. Am Vorabend war sie zwischenzeitlich über 1,09 Dollar geklettert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Mittwoch auf 1,0888 (Dienstag: 1,0837) Dollar festgesetzt.
Zinswende geht der Schwung aus
Unter diesen Bedingungen kaufen die Anleger an den Finanzmärkten der Fed längst nicht mehr ab, dass sie die Zinswende konsequent durchziehen wird. Eigentlich hat die Fed für dieses Jahr vier weitere Anhebungen in Aussicht gestellt. Anleger rechnen aber inzwischen höchstens noch mit ein oder zwei Schritten - wenn überhaupt. Die Erwartungen für eine Leitzinsanhebung auf der kommenden Sitzung am 16. März wurde durch die Erklärungen der Fed zum Zinsentscheid gedämpft. „Die Inflation wird in naher Zukunft gering bleiben“, heißt es in einem Statement der Fed, und werde sich erst mittelfristig erholen. „Der Ausschuss beobachtet genau weltwirtschaftliche und finanzielle Entwicklungen und beurteilt deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Inflation.“
Experten des Forschungsunternehmens Capital Economics halten vor allem eine Verbesserung der Wirtschaftsdaten in China für eine Bedingung weiterer Zinsanhebungen. Diese könne für die kommende Sitzung zu spät kommen. In der zweiten Jahreshälfte dürfte die US-Notenbank jedoch die Zinsen rascher anheben als von den Märkten erwartet, schätzt das Analysehaus.
An diesem Freitag werden in den USA die Wachstumszahlen für das vierte Quartal 2015 vorgelegt, das lässt weitere Rückschlüsse auf die Politik der US-Notenbank zu. Zuletzt hatten die Daten vom Arbeitsmarkt positiv gestimmt, Exporte und Inflation waren jedoch schwach.
Die Börse Düsseldorf hat das Wort „Zinswende“ bereits zum Börsen-Unwort des Jahres 2015 gewählt. „Für das Gelingen einer Wende ist genügend Schwung notwendig“, heißt es in der Begründung. „Das weiß jeder Segler, der mit einer Drehung gegen den Wind die Fahrtrichtung zu wechseln versucht.“ (APA, dpa, TT.com)