S-Berater werden immer mehr zu Therapeuten mit Zeitdruck

Wien (APA) - Anhand des Alltags im Arbeitsmarktservice (S) lassen sich Veränderungen in der staatlichen Verwaltung gut beobachten. Ein Wiene...

Wien (APA) - Anhand des Alltags im Arbeitsmarktservice (S) lassen sich Veränderungen in der staatlichen Verwaltung gut beobachten. Ein Wiener Forscherteam hat sich daher mit der Situation der Berater in Österreich, Deutschland und der Schweiz befasst. Dabei zeigte sich, dass die Mitarbeiter immer mehr zu Sozialarbeitern oder Therapeuten werden und in Österreich unter besonderem Zeitdruck stehen.

Die Wissenschafter um Birgit Sauer vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien suchten nach staatlichen Institutionen, die in den vergangenen Jahren starken Veränderungen ausgesetzt waren. Im Rahmen eines über drei Jahre laufenden, vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekts analysierten die Forscher, wie Berater und ihre Klienten miteinander umgehen. Dafür durchforsteten sie zahlreiche Dokumente, die an Berater gerichtet sind, führten Interviews auf verschiedenen Unternehmens-Ebenen, analysierten Videos von Beratungssituationen und begleiteten Berater über mehrere Tage hinweg. Der Fokus lag auf den Arbeitsvermittlern selbst, die als sogenannte „‘Street-Level-Bureaucrats‘ an der Basis staatliche Politik umsetzten müssen“, sagte Sauer zur APA.

Besonders interessant war die emotionale Komponente dieser Arbeit: Seit einigen Jahren seien die Berater etwa zunehmend angehalten, freundlich zu sein, Ängste bei den Erwerbslosen abzubauen und möglichst ein kooperatives Klima in der Beratung herzustellen, erklärte Sauer. Das passe nicht unbedingt in das frühere Bild der sehr rationalen öffentlichen Verwaltung mit klar hierarchischem Aufbau, die Geld oder Jobs nach bestimmten Vorgaben mehr oder weniger emotionslos verteilt. Nun gehe es in der Verwaltung vor allem um das „Aktivieren“, so die Wissenschafterin.

Auf die Arbeitsvermittlung umgelegt heißt das, dass „Leute dazu aktiviert werden, sich auch eigenständig am Arbeitsmarkt zu integrieren“ - indem sie sich etwa selbstständig machen. Das Selbstverständnis der AMS-Berater gehe auch stark in Richtung „Emotionsarbeiter“: „Sie agieren wie Sozialarbeiter oder Therapeuten - sie müssen sich einfühlen und empathisch sein. Das sind eigentlich ganz andere staatliche Steuerungsmechanismen als im Wohlfahrtsstaat der 1970er- und 1980er Jahre“, sagte Sauer.

Diese angesichts steigender Arbeitslosenzahlen fordernde Aufgabe müssen vor allem österreichische Arbeitsvermittler in einem noch engeren Zeitkorsett als ihre Kollegen in Deutschland und der Schweiz zu bewältigen. AMS-Berater müssen „in einem 15-Minuten-Takt mit allem durchkommen. Wir haben eigentlich von allen gehört, dass es da wahnsinnig schwer ist, auch die politischen Vorgaben umzusetzen. Da entsteht bei den Beratern teilweise ziemlich viel Frustration“, erklärte die Forscherin. In der vergleichsweise besten Situation befinden sich Schweizer Berater.

Strategien zur Deeskalation etwa bei Aggression und zum Umgang mit den eigenen Emotionen seien in Schulungen und Ausbildungen zwar Thema, in der schnell getakteten Arbeitsrealität aber nicht immer einfach umzusetzen. Dem Versuch, ein gutes Klima herzustellen, stünden auch Probleme bei der Abgrenzung gegenüber der Arbeit gegenüber - vor allem, da AMS-Berater oft mit Menschen arbeiten, die stark unter der Arbeitslosigkeit leiden.

Im Zuge eines am Donnerstag an der Wirtschaftsuniversität Wien beginnenden Symposiums werden der Abschlussbericht des Projektes präsentiert und weitere einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse diskutiert. Teilnehmen werden auch Vertreter der Arbeits-Agenturen aus den drei untersuchten Ländern.

(S E R V I C E - Projekthomepage: http://www.affectivelabor.org/index.php/de/news)

~ WEB http://www.ams.at ~ APA131 2016-01-28/10:07