Hans Platzgumer als Autor mit „Am Rand“ auf dem Sprung in die Mitte

Wien (APA) - Den Bocksberg bei Hohenems gibt es wirklich. Er ist 1.461 Meter hoch und bietet an seinem Gipfel einen schönen Rundblick sowie ...

Wien (APA) - Den Bocksberg bei Hohenems gibt es wirklich. Er ist 1.461 Meter hoch und bietet an seinem Gipfel einen schönen Rundblick sowie einen Fels-Abbruch. Dort sitzt der frühmorgens aufgestiegene Ich-Erzähler Gerold Ebner „Am Rand“ des Abgrunds und will bis zum Sonnenuntergang schreibend über sein Leben Rechenschaft ablegen. „Genau dort hatte ich auch die Grundidee für mein Buch“, sagt Hans Platzgumer.

„Am Rand“ ist das siebente Buch des 2005 mit „Expedition. Die Reise eines Underground-Musikers in 540 kb“ erstmals in der Literaturszene in Erscheinung getretenen Tirolers und sein Debüt in einem großen Verlag. Es wird sein literarischer Durchbruch werden. Bisher hat er sich essayistisch und autobiografisch mit Musik beschäftigt, seine Helden in die Arktis („Weiß“, 2008), in die Todeszone von Tschernobyl („Der Elefantenfuß“, 2011) oder an eine von Terroristen überfallene Eisenbahnbaustelle in Libyen („Trans-Maghreb“, 2012, zwei Jahre später auch als Opern-Installation bei den Bregenzer Festspielen) geschickt. In seinem am Montag erscheinenden neuen Roman bleibt er dagegen ganz in der Nähe.

Einen „Platzgummer Hansi“ hat er augenzwinkernd als in die USA auswandernden Jugendfreund seines Helden Gerold in sein Buch geschrieben und dabei auf seine eigenen Jahre als Musiker in New York und Los Angeles angespielt. Und wie viel von sich hat er seinem Protagonisten mitgegeben? „Nach dem Einfall für das Setting hat sich die Geschichte wie von selber geschrieben. Aber gar so viel hat der Gerold nicht von mir“, meint Platzgumer im Gespräch mit der APA.

Gerold Ebner ist ein in sich gekehrter, eigenbrötlerischer Mensch, dem der Tod zum ständigen Begleiter wird - vom mumifiziert aufgefundenen Nachbarn seiner Kindheit, den todesverachtenden Mutproben in der Halbwüchsigen-Clique über seine Rolle als „Todesengel“ für den tyrannischen Großvater und dem nach einem schweren Arbeitsunfall nur noch vegetierenden besten Freund bis zum Bergunfall seiner Lebensgefährtin und des ihnen zugelaufenen Kindes. Die Geschichte, die Platzgumer in „Am Rand“ erzählt, handelt von Tod und Leben, Fatalismus und Aufbegehren, von der Möglichkeit und Unmöglichkeit, sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen.

War er selbst ebenfalls in seiner Jugend ein wilder Hund und geht es heute, seit elf Jahren mit Frau und zwei Kindern in Lochau bei Bregenz lebend, leiser an? „Jeder Autor führt ein Doppelleben“, lacht Platzgumer. „Ich genieße es wahnsinnig, dass ich meine Figuren Dinge machen lassen kann, die ich mir nie selbst erlauben würde, wo ich längst einen Schlussstrich ziehen würde.“

Am Ende des Buches ist es stockdunkel geworden und Gerolds Geschichte auserzählt. Ob sie zu Ende ist, wird nach 200 Seiten offen gelassen. Platzgumer überrascht mit einem Geständnis: Im ursprünglichen Manuskript habe die Geschichte eine Fortsetzung gehabt. Eine deutsche Urlauberin findet die am Gipfel versteckte Lebensbeichte und beginnt nachzuforschen. „Wir haben uns aber dazu entschlossen, die Fantasie des Zuschauers nicht einzuschränken.“ Sollte ein Erfolg von „Am Rand“ eine Fortsetzung nahelegen, läge diese also bereits in der Schublade? „Mein Plan ist es nicht, aber natürlich gibt es das Text-File noch. Mal sehen. Sag niemals nie...“

Ganz hält sich der 1969 Geborene, der mit verschiedenen Projekten und Formationen über 60 Platten aufgenommen und mehr als 70 Soundtracks komponiert hat, freilich nicht daran. Die im Vorjahr erschienenen „Miniaturen“ seien „sicher meine letzte CD“, sagt er. „Das ist mein Abschied von diesem Format.“ Jahrelang habe er an den 20 Tracks gefeilt, die Titelfindung hat er jedoch einem Kollegen überlassen: Albert Ostermaier hat 20 poetische Titel erfunden, von „die spieluhr der vergeblichkeit“ bis „tanzen an der tankstelle“, die zusammen 20 Zeilen eines Gedichts ergeben. „Mir liegt das Lyrische nicht. Ich bin ganz eindeutig Prosa-Autor“, sagt Platzgumer.

Hoch motiviert vom Verlagswechsel zu Zsolnay und glücklich darüber, so gut aufgenommen zu werden, meint der Mann, der einst in den USA beinahe Rockstar geworden wäre und als Musiker erstaunlich zarte Töne anzuschlagen weiß: „Ich werde sicher weiterhin Musik machen. Aber das Hauptaugenmerk liegt jetzt auf dem Schreiben.“ Anders als bei Gerold Ebner wird das kein Resümee, sondern ein neues Kapitel seines Lebens. Drei weitere Buch-Projekte sind bereits in Arbeit.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Hans Platzgumer: „Am Rand“, Zsolnay Verlag, 208 S., 20,50 Euro, Buchpräsentation: 9.2., 19 Uhr, Alte Schmiede, Wien 1, Schönlaterngasse 9; www.platzgumer.net)