Essstörungen - Risiko bei männlichen Jugendlichen nimmt zu
Wien (APA) - Rund 200.000 Menschen in Österreich erkranken mindestens einmal in ihrem Leben an einer Essstörung. Der Großteil der Betroffene...
Wien (APA) - Rund 200.000 Menschen in Österreich erkranken mindestens einmal in ihrem Leben an einer Essstörung. Der Großteil der Betroffenen ist weiblich, doch neue Zahlen aus einer Befragung unter Österreichs Schülern zeigen einen erschreckenden Anstieg bei den Buben und Burschen. Fast 15 Prozent der männlichen Jugendlichen haben demnach ein Risiko, an einer Essstörung zu erkranken.
Von Anorexie, Bulimie oder auch Binge Eating betroffen sind vor allem sehr junge Menschen, 90 bis 97 Prozent sind Mädchen bzw. junge Frauen. Doch die Gefahr, daran zu erkranken, hat in den vergangenen Jahren vor allem bei den männlichen Jugendlichen zugenommen. Mittlerweile liegt das Risiko für eine Essstörung bei Burschen bei 14,6 Prozent, zeigten erste Ergebnisse der Studie „Mental Health in Austrian Teenagers (MHAT)“, bei der seit 2013 über 3.600 österreichische Schüler im Alter von zehn bis 18 Jahren zu ihrer psychischen Gesundheit befragt wurden. Die Zahl der betroffenen männlichen Jugendlichen lag bisher unter zehn Prozent.
Bei der Studie, die vom Ludwig Boltzmann Institut Health Promotion Research (LBI HPR) und der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Medizinischen Universität Wien (KJP) erst im Herbst 2015 abgeschlossen wurde, gaben 31,8 Prozent der Mädchen und 14,1 Prozent der Burschen an, Angst zu haben, beim Essen die Kontrolle zu verlieren. 6,1 Prozent der weiblichen und 5,1 der männlichen Befragten sagten, dass sie schon einmal erbrochen haben, wenn sie sich unangenehm voll fühlten. Ein hoher Prozentsatz der Befragten (28,2 Prozent der Mädchen und elf Prozent der Burschen) fühlten sich dick, obwohl andere sagen, dass sie schlank seien. 31 Prozent der weiblichen Studienteilnehmer und 23,3 Prozent der männlichen gaben an, dass Essen Einfluss auf ihr Leben nehme. Und 10,5 Prozent der befragten Mädchen und 12,2 Prozent der Burschen hatten in den vergangenen drei Monaten mehr als sechs Kilogramm abgenommen.
Dass die Zahl der von Essstörungen betroffenen Burschen so im Steigen begriffen ist, führt Karin Waldherr, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Essstörungen (ÖGES), vor allem auf den immer stärker werdenden Druck der Gesellschaft zurück, erfolgreich und gutaussehend zu sein. „Viele Burschen sind mit ihrem Körper unzufrieden und wünschen sich, muskulöser zu sein“, sagte Waldherr am Donnerstag bei einer Tagung anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Therapiezentrums für Menschen mit Essstörungen „intakt“. Sendungen wie „Austrias next Topmodel“, bei dem auch männliche Models gesucht werden, würden bestimmte Vorstellungen vermitteln, wie man auszusehen habe, meinte die klinische Psychologin im APA-Interview.
Vor allem bei jenen - egal ob Bub oder Mädchen -, die einen hohen Body Mass Index (BMI) haben, sei das Risiko für eine Essstörung besonders hoch. Bei extrem hohen BMI liegt dieses Risiko bei Mädchen sogar bei rund 50 Prozent, bei Burschen bei 30 Prozent, so Waldherr. Das Erschreckende dabei ist, dass sich nur ein Viertel der Betroffenen in Behandlung begibt. „Wir haben sehr viel zu tun“, meinte die Expertin.
Die Liste der Folgen von Essstörungen ist lang und beunruhigend: Den Betroffenen ist ständig kalt (Untertemperatur), sie haben niedrigen Blutdruck und Mädchen neigen zu Amenorrhoen (Ausbleiben der Menstruation). Im schlimmsten Fall kann das zur Infertilität führen. Die Patienten haben zudem ein erhöhtes Risiko des Knochenabbaus (Osteoporose), verbunden mit einer verstärkten Neigung zu Knochenbrüchen. Durch das ständige Erbrechen ist der Elektrolythaushalt gestört, die Speiseröhre erhält Risse und es kommt zu Zahnproblemen wie Karies.
In Österreich gibt es laut Frauengesundheitsbericht 2010/11 unter dem Begriff Essstörungen mehrere Formen: Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht), Binge Eating Disorder (Störung mit Essanfällen), Adipositas (Fettsucht), Reaktive Fettsucht (Gewichtszunahme nach traumatischen Erlebnissen) und Orthorexia Nervosa (krankhaftes Gesundessen).