66. Berlinale - Kosslick: Viele Filme fordern „Recht auf Glück ein“
Berlin (APA) - „Viele Filme fordern das Recht auf Glück ein.“ Das ist der Nenner, auf den Festivaldirektor Dieter Kosslick die rund 400 Film...
Berlin (APA) - „Viele Filme fordern das Recht auf Glück ein.“ Das ist der Nenner, auf den Festivaldirektor Dieter Kosslick die rund 400 Filme der diesjährigen Berlinale bringt, die zwischen 11. und 21. Februar stattfindet. Vor ausländischen Journalisten sagte er heute, Freitag, in Berlin, als Ober- oder Unterthema könnte „Migration und die Folgen“ stehen, auch wenn das „einem schon zu den Ohren raus“ käme.
Als ein Beispiel für den unterschiedlichen Blick der Filmemacher auf die Ursachen, warum Menschen ihre Länder verlassen, nennt er „Hedi“ aus Tunesien, in dem ein Mann vor seiner Zwangsverheiratung durch seine Familie flieht. Der achtstündige Film „A Lullaby to the Sorrowful Mystery“ von Lav Diaz setzt sich wiederum mit der frühen Kolonisation der Philippinen auseinander und den Freiheitskämpfen dort, „einen sehr komplexen Vorgang“, laut Kosslick. „Die Kombination aus wirtschaftlichen Interessen und philosophisch-religiösen Überzeugungstätern ist das, warum die Welt auch heute außer Rand und Band gerät.“
In der Behandlung des Themas Migration würden sich die Regisseure unterschiedlicher Stilmittel bedienen: Vom Road-Movie über Science Fiction, von Dokumentarfilmen - für den italienischen Wettbewerbsbeitrag „Fuocoammare“ verbrachte Regisseur Gianfranco Rosi zwei Jahre auf der Insel Lampedusa - und den Briefroman bis zur Revue. Formal gesehen wären die Filme dieses Jahr „cineastisch sehr ambitioniert“, urteilte der Festival-Chef.
Ein „ganzes Bouquet von Dingen, die wir für Flüchtlinge tun“, kündigte Dieter Kosslick für diese 66. Berlinale an: Zum einen würden Paten gesucht, die mit jeweils vier Flüchtlingen während der Festspiele ins Kino gingen. Andere Patenschaften würden Familienzusammenführungen betreffen. „Wir sind dazu da, Völkerverständigung zu betreiben“, sagte er. „Die Berlinale ist ja letztlich nichts anderes als eine Ansammlung von Ausländern.“
Eröffnet wird der Wettbewerb heuer mit der internationalen Premiere des neuen Films der Brüder Joel und Ethan Coen, „Hail, Caesar!“. Als Beispiel für einen Streifen, der die Suche nach Glück behandle, nannte Kosslick den deutschen Film „24 Wochen“, die Abschlussarbeit von Anna Zohra Berrached an der Filmhochschule Babelsberg: Ein Ehepaar erwartet sein zweites Kind im Wissen, dass es durch das Down-Syndrom behindert sein wird. „Es wird ein gigantischer Konflikt ausgetragen“, sagte der Berlinale-Direktor. „Ich empfehle Ihnen, da stabil reinzugehen.“
„Alone in Berlin“ von Vincent Perez ist die Verfilmung des Fallada-Romans „Jeder stirbt für sich allein“. Stark sind diesmal laut Kosslick die französischen Filme vertreten: „Frankreich hat eine neue Welle von interessanten Filmen, die an die Novelle Vague anschließen“, sagte er. „Es wird mit leichter Hand inszeniert.“
Der aus Polen kommende Streifen „United States of Love“ von Tomasz Wasilewski, „der mal wieder die Regierung nicht erfreuen wird“, wie Kosslick vermutete, beschäftigt sich mit den Menschen um 1990, „die am eisernen Korsett der Vergangenheit scheitern“. Im Gegensatz dazu „sind wir diesmal politisch korrekt mit den Iranern“: Der diesjährige Abschlussfilm des Festivals, „A Dragon Arrives“ von Mani Haghighi, „bildmäßig ein Monumentalwerk mit vielen Allegorien“, dürfe problemlos gezeigt werden, „es gibt keinen Ärger“.
Der portugiesische Beitrag „Letters from War“ von Ivo M. Ferreira habe die Kolonialzeit in Angola und die Liebesgeschichte eines Arztes zum Thema, der das Geschehen um ihn herum nur kompensieren könne, indem er seiner Frau daheim Briefe schreibe. Im chinesischen Film „Crosscurrent“ von Yang Chao steht eine Fahrt auf dem Jangtse im Mittelpunkt, laut Kosslick „ein Slow Food-Movie ohne Food“.
Die Filme würden generell langsamer in ihrer Erzählgeschwindigkeit, meinte er, weil die Menschen nicht mehr mit der Schnelligkeit der Maschinen mitkämen. Zudem seien viele Farbfilme wieder Schwarz-Weiß zu sehen: „Die Menschen konzentrieren sich wieder mehr. Die Berlinale hat nach einem Feuerwerk einen Entschleunigungsprozess. Das ist durchaus gewollt.“
Wie jedes Jahr werden auch diesmal viele klingende Namen in Berlin zu Gast sein, unter anderen George Clooney mit Ehefrau Amal, Tilda Swinton, die Coen-Brüder sowie Thomas Vinterberg, Julianne Moore, Emma Thompson, Jurypräsidentin Meryl Streep und die französischen Schauspielstars Isabelle Huppert und Gerard Depardieu.
Österreichische Filme sind heuer nicht im Wettbewerb vertreten, einzig Siegfried A. Fruhaufs Experimentalfilm „Vintage Print“ läuft im „Berlinale Shorts“-Kurzfilmwettbewerb. Von den 23 Beiträgen im Hauptwettbewerb um den Goldenen Bären stammen lediglich zwei von Regisseurinnen; bei den insgesamt 400 Filmen im Programm führten bei 92 Frauen Regie. Die schwul-lesbische Reihe Teddy wird heuer 30 Jahre alt.
(S E R V I C E - www.berlinale.de)