Flüchtlinge

Angst vor dem Fremden: Wenn Flüchtlinge Symbol für Bedrohung werden

Flüchtlinge werden alleine durch den Gebrauch des Wortes auf einen Aspekt ihrer Person reduziert. Ein Zeichen dafür, wie mächtig Sprache unsere Vorstellung der Realität prägt.
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Der Begriff Flüchtlinge – also eigentlich Menschen, die vor Gefahren geflüchtet sind – wird in der Debatte immer negativer besetzt. Negative Einzelfälle werden generalisiert und auf die ganze Gruppe übertragen.

Von Julia Naue/dpa

Berlin – Obergrenzen, Tageskontingente, Hausverbote - in der Diskussion über Flüchtlinge geht es oft um Ängste. Wie lange halten wir das noch aus? Schaffen wir das wirklich? Sind die Flüchtlinge gefährlich?

„Flüchtlinge werden zunehmend als Synonym für etwas Bedrohliches angesehen“, kritisiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl. Nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln habe sich diese Wahrnehmung noch einmal zugespitzt. „Der Begriff ‚Flüchtlinge‘ wird umgedeutet - von Menschen, die Schutz suchen und selbst in Gefahr sind, zu Menschen, die eine Gefahr bedeuten.“

Fehlverhalten von Einzelnen schadet allen Flüchtlingen

Beispiele dafür gab es in letzter Zeit genug: Nach Beschwerden von Besucherinnen über sexuelle Belästigungen, durfte in einem Schwimmbad in Bornheim bei Bonn vorübergehend kein männlicher Flüchtling mehr baden. Mittlerweile ist das Hausverbot wieder aufgehoben. In einigen Bädern müssen Flüchtlinge Baderegeln unterschreiben – erst dann dürfen sie ins Wasser. In Freiburg lösten Hausverbote für Flüchtlinge in Clubs eine Debatte aus. In Hardheim im Odenwald gab es schriftliche Benimmregeln für Flüchtlinge. „In Deutschland bezahlt man erst die Ware im Supermarkt, bevor man sie öffnet“, hieß es darin etwa.

Laut dem jüngsten ZDF-“Politbarometer“ glauben 66 Prozent der Befragten, dass durch die Flüchtlinge die Kriminalität in Deutschland zunehmen wird. Flüchtlinge – sind das alles Grapscher, Betrüger, Diebe? „Das Fehlverhalten einiger wird einer gesamten Gruppe zugeschrieben“, erklärt Burkhardt. Und vor solchen Vorverurteilungen fürchten sich auch Flüchtlinge.

„Fremde“ werden zu homogener Gruppe gemacht

Ähnlich sieht das Margarete Jäger vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. „Wir haben in Deutschland seit Jahrzehnten die Debatte um das sogenannte Fremde“, erklärt die Wissenschaftlerin, die unter anderem Alltags- und Mediendiskurse mit dem Schwerpunkt Migration erforscht. Die Fremden, aktuell die Flüchtlinge, würden in der Debatte zu einer homogenen Gruppe, kritisiert sie. „Mit Verboten für diese gesamte Gruppe wird nicht nur diese Gruppe diskriminiert, es werden auch rassistische Tendenzen in der Bevölkerung befriedigt.“ Der einzelne Mensch gerate dabei in den Hintergrund.

Sie beobachtete vor allem im vergangenen Herbst, dass für eine kurze Zeit Einzelschicksale in der Diskussion in den Vordergrund rückten. Beispielhaft dafür war das Foto des tot an einem Strand in der Türkei angespülten syrischen Flüchtlingsjungen Aylan. Fluchtursachen und die Not der Menschen standen im Mittelpunkt. „Mittlerweile wird wieder von ‚Flüchtlingswellen‘ oder ‚Flüchtlingsflut‘ gesprochen“, sagt Jäger. „Solche Begriffe können Angstgefühle in der Bevölkerung auslösen.“

Sprache ist ein mächtiges Instrument

Dass Sprache ein mächtiges Instrument in der Debatte ist, findet auch Jana Tereick. Die Sprachwissenschaftlerin verweist auf das Wort „Flüchtling“. „Diese Bezeichnung reduziert einen Menschen allein auf die Tatsache der Flucht“, erklärt sie. Er werde dadurch entmenschlicht und auf einen Aspekt seiner Individualität herabgesetzt. „Geflüchteter Mensch“ hingegen sei viel positiver besetzt und rücke den Einzelnen mehr in den Vordergrund.

Burkhardt von Pro Asyl sieht eine große Gefahr darin, wenn Asylsuchende nicht mehr als Individuen wahrgenommen werden. „Rassismus und Gewalt nehmen zu“, sagt er. Hinzu käme, dass die Menschen ausgegrenzt in Massenunterkünften lebten. Das wirke bedrohlich. Erschreckend ist der Anstieg von Brandanschlägen und Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. „Durch den fehlenden Kontakt zum Rest der Bevölkerung werden Flüchtlinge nicht als Mitmenschen wahrgenommen.“

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