Geld sammeln für Syrien - Keine Lösung, aber dringende Notwendigkeit

Damaskus/London (APA/dpa) - Über Frieden für Syrien verhandeln seit Freitag Diplomaten, doch Millionen Menschen erleiden in dem Bürgerkriegs...

Damaskus/London (APA/dpa) - Über Frieden für Syrien verhandeln seit Freitag Diplomaten, doch Millionen Menschen erleiden in dem Bürgerkriegsland weiter Unvorstellbares. Bei einer Geberkonferenz in London werden Milliardenhilfen gesucht. Geld ist aber nicht das einzige Problem.

Die nackten Zahlen sind bedrückend. 250.000 Tote und 1,2 Millionen Verletzte. Mehr als 4,5 Millionen Menschen auf der Flucht, 13,5 Millionen dringend hilfsbedürftig. Hinter den Zahlen stehen Einzelschicksale. „Syrien ist die schwerste humanitäre Krise der Welt“, steht ganz oben auf der Homepage der Geberkonferenz, zu der am 4. Februar Vertreter aus rund 70 Staaten in London zusammenkommen.

Das Ziel dieser Konferenz ist klar. Mehr als sieben Mrd. Euro muss die Weltgemeinschaft nach UN-Schätzung aufbringen, um die Not der Opfer des syrischen Bürgerkriegs zu lindern, der bereits seit fünf Jahren tobt. Für Lebensmittel und Medikamente, aber auch für sanitäre Anlagen und Bildungsprogramme. Es ist schon die vierte Geberkonferenz für Syrien, die drei anderen fanden in Kuwait statt.

Vergangenes Jahr seien die geforderten Mittel für Flüchtlinge in der Region zu 58 Prozent zugesagt worden, sagt Ariane Rummery vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Aber ein Großteil des Geldes sei erst gegen Ende des Jahres eingegangen. Immerhin haben sich die Geberländer an ihre Zusagen gehalten, ergänzt Jens Laerke vom UN OCHA, dem Büro, das die Hilfsmittel koordiniert. 90 Prozent des versprochenen Geldes sei schließlich überwiesen worden. Es wird an Hilfsorganisationen verteilt, die darum bitten.

Die Sprecher vermeiden, in konkreten Zahlen zu benennen, was sie sich von London erhoffen. „Deutlich mehr“ soll es werden, sagt Laerke. Das könnte klappen, denn der Druck steigt im Westen. Der Syrienkrieg erreicht die Europäer längst nicht mehr nur als grauenhafter Bilder in den Nachrichten. Millionen Flüchtlinge stellen Regierungen vor gewaltige innenpolitische Probleme. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte eben erst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: Um die Massenflucht nach Europa einzudämmen, müsse mehr Geld in und um Syrien zur Verfügung gestellt werden. Das sei zwar teuer, aber notwendig.

Kommen die Hilfen an? Nicht überall. UN-Nothilfekoordinator Stephen O‘Brien sagte erst im Dezember in Damaskus, nachdem er sich drei Tage lang selbst ein Bild der Lage in Syrien gemacht hatte: Von den 4,5 Millionen Menschen, die ihn schwer zugänglichen Regionen lebten, hätten 2015 gerade einmal sieben Prozent UN-Hilfen bekommen. In belagerten Gebieten, in denen 400.000 Menschen lebten, sehe es noch deutlich düsterer aus. O‘Brien fordert daher nicht nur Geld, sondern auch und vor allem Zugang für die Helfer: „Humanitäre Hilfen durchzulassen ist die Pflicht aller Parteien dieses Konflikts.“

Das betonen Hilfsorganisationen durch die Bank. „Für Ärzte ohne Grenzen ist das Problem nicht in erster Linie die Finanzierung der Projekte, sondern die Frage des gesicherten Zugangs“, sagt etwa Florian Westphal, Geschäftsführer der Organisation in Deutschland. „Wir müssten eigentlich einen der größten Einsätze in der Geschichte von Ärzte ohne Grenzen laufen haben. Aber wir sind sehr weit davon entfernt.“ In den von der Terrormiliz Islamischer Saat kontrollierten Gebieten sei es zu unsicher und die Regierung in Damaskus habe kein grünes Licht gegeben, dass die Ärzte offiziell dort arbeiten dürfen.

Immer wieder blockieren die Kriegsparteien bewusst Zugänge - im Fall der belagerten Stadt Madaya machte das weltweit Schlagzeilen. „Da haben wir von den Ärzten gehört, mit denen wir in engem Kontakt stehen, dass Menschen an Mangelernährung gestorben sind“, berichtet Westphal. Dass Zugang für Hilfsleistungen zum politischen Spielball werde, sei völlig inakzeptabel. Zudem mahnt er, politische Ziele nicht mit der Nothilfe zu vermengen: „Zwar kann die humanitäre Hilfe die Krise nicht beenden, aber solange die Krise besteht, muss Hilfe zu den Menschen kommen.“

Doch die eigentliche Lösung, da sind sich über 100 Hilfsorganisationen und humanitäre Gruppen einig, kann nur das Ende des Bürgerkriegs sein. In einem eindringlichen Appell forderten sie vergangene Woche, das Blutvergießen in Syrien zu beenden. Scheitern die Friedensgespräche in Genf, dann wird es 2017 wieder eine Geberkonferenz geben müssen. Und die Zahlen werden noch dramatischer sein.