Ski: Gut-Triumph soll für Schweizer Damen nur Initialzündung sein
Lenzerheide (APA) - 21 Jahre haben die Schweizer warten müssen, ehe nach der Ski-Legende Vreni Schneider wieder eine Landsfrau die Weltcup-G...
Lenzerheide (APA) - 21 Jahre haben die Schweizer warten müssen, ehe nach der Ski-Legende Vreni Schneider wieder eine Landsfrau die Weltcup-Gesamtwertung gewonnen hat. Nach acht Jahren Anlaufzeit und einigen Rückschlägen ist Lara Gut endlich am Ziel. In Zukunft soll es mit dem Schweizer Damenteam noch weiter nach oben gehen. „Das gibt sicher ein bisschen eine Euphorie“, weiß auch Swiss-Ski-Damen-Chef Hans Flatscher.
In der jüngeren Vergangenheit waren die eidgenössischen Ski-Anhänger in Sachen Erfolge bei den Damen nicht gerade verwöhnt worden. Seit der Saison 1994/95, die mit dem dritten Gesamtweltcup-Sieg von Schneider zu Ende ging, fuhren die Schweizerinnen im Weltcup oft genug hinterher. Die Saison 2004/05 etwa beendete das Team ohne einen einzigen Podestplatz.
Gut selbst hat die Geduld der Fans zeitweise massiv auf die Probe gestellt, ehe sie am Sonntag ihren bisher größten Triumph perfekt machen konnte. Verletzungen oder Streits in ihrem Umfeld haben die Tessinerin immer wieder zurückgeworfen. Nun hat die 24-Jährige, die sich den klassischen Verbandsstrukturen nie anpassen wollte, für das Ende der langen Weltcup-Durststrecke gesorgt.
„Es ist schon sehr speziell. Ich habe mich davor gar nicht so befasst mit dem und bin erst jetzt draufgekommen, dass das eigentlich schon so lange her ist“, sagte der Österreicher Flatscher. „Das ist sicher für die Schweiz ein wichtiger Punkt, dass man das auch wieder mal geschafft hat und gibt sicher ein bisschen eine Euphorie im ganzen Damenteam.“
Am Aufschwung nicht unbeteiligt ist aber auch Wendy Holdener. Die 22-jährige aus dem Kanton Schwyz fixierte in der Lenzerheide-Kombination ihren zweiten Weltcup-Erfolg, gleichzeitig krallte sich die Technikerin damit ihre erste kleine Kristallkugel. Am Samstag war außerdem Fabienne Suter im Österreicherinnen-“Sandwich“ zwischen Cornelia Hütter und Tamara Tippler im Super-G auf Platz zwei gefahren. Da ist es kein Wunder, dass die Ski-Nation Schweiz jetzt schon von einer goldenen Zukunft träumt - speziell in Hinblick auf die Heim-WM 2017 in St. Moritz.
„Das ist cool, weil jeder am Beginn der Saison davon geredet hat, dass viele starke Mädels nicht mehr dabei sind und dass alles schrecklich sein wird. Jetzt haben wir den Gesamtsieg zurückgeholt, Wendy hat die Kugel in der Kombination gewonnen und ich werde um die Super-G-Kugel kämpfen. Ich würde sagen, das ist besser als erwartet“, merkte Gut mit einem breiten Grinsen an.
Worauf sie nicht eingehen wollte, war die Frage, inwieweit ihr Coup dadurch getrübt ist, dass mit Anna Fenninger, Lindsey Vonn, Tina Maze und Mikaela Shiffrin gleich vier Favoritinnen auf den Gesamtsieg entweder komplett oder teilweise gefehlt haben. Fakt ist, dass Gut nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden von Vonn, die sich bei einem Sturz in Soldeu Frakturen im Schienbeinkopf zuzog, ohne ernsthafte Gegnerin war. Denn Viktoria Rebensburg fand erst spät zu ihrer Form, vermochte ihre bei einzelnen Rennen bärenstarken Leistungen zudem nicht nachhaltig zu bestätigen.
Für die heute 51-jährige Schneider steht dennoch fest, dass Gut eine „fantastische Saison“ abgeliefert hat. „Bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften kann es Zufallssieger geben, beim Kampf um diese Kugel nicht“, meinte Paul Accola, Herren-Gesamtsieger 1991/92. „Sie hat es sich verdient, sie hat die ganze Saison über eine starke Leistung gezeigt“, lobte auch ihre Kollegin Michaela Kirchgasser. Die Diskussion wird diesbezüglich trotzdem weitergehen.
Ein anderes schwelendes Thema sind die Reibereien zwischen Gut und Vonn. Nachdem Vonn in Soldeu erst im Super-G gestürzt, am nächsten Tag in der Kombination aber auf dem 13. Platz gelandet war, hatte Gut anklingen lassen, dass ihre Head-Markenkollegin womöglich eine Show abgezogen habe, um sie zu verunsichern. Für Flatscher jedenfalls ist die Sache erledigt: „So ein paar Sachen gehören dazu zum Zirkus, das belebt das Geschäft ein bisschen. Das kann man schon irgendwo auch mit Humor tragen.“
Wie die Geschichte ausgeht, wird sich vermutlich erst im kommenden Winter zeigen. Dann wird sich Gut wohl einer größeren Konkurrenz stellen müssen. Neben Vonn wird Fenninger und eventuell sogar die aus freien Stücken pausierende Maze in den Weltcup zurückkehren, dazu wird Slalom-Königin Shiffrin einen neuen Angriff auf die große Kristallkugel starten.