Pressestimmen zu den Landtagswahlen in Deutschland 1

Berlin (APA/dpa) - Die Landtagswahlen in Deutschland waren am Montag Inhalt zahlreicher internationaler Pressekommentare:...

Berlin (APA/dpa) - Die Landtagswahlen in Deutschland waren am Montag Inhalt zahlreicher internationaler Pressekommentare:

„Nepszabadsag“ (Budapest):

„Auf der extrem rechten Seite hatten bisher die Parteien mit Neonazi-Einschlag die Protest-Stimmen eingeholt. Das hat sich nun geändert. Die AfD ist keine Versammlung neu-brauner Glatzköpfe, sondern sie kann in der gesellschaftlichen Mitte Stimmen fischen - und zwar in großem Stil, wie es der Super-Wahlsonntag gezeigt hat. Deutschland ist eine starke liberale Demokratie, aber jetzt muss man sehr aufpassen. Das Übel liegt in der gesellschaftlichen Mitte. An den Grundlagen.“

„de Volkskrant“ (Amsterdam):

„Die Wahlbeteiligung war überall höher als 2011. Das lag daran, dass diese Landtagswahlen sowohl in Deutschland selbst, als auch im Rest Europas als Volksbefragung über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel angesehen wurden. Dass die CDU in allen drei Bundesländern Mandate verlor, kann als Missbilligung ihrer Politik durch einen großen Teil der deutschen Wähler interpretiert werden. (...) Noch sind nicht alle Konsequenzen absehbar. Aber eins steht fest: Mit dem Aufmarsch der AfD ist jene politische Ordnung an ein Ende gekommen, wie Deutschland sie seit 1949 kannte und in der die „Volksparteien“ CDU und SPD zusammen fast immer ausreichende Mehrheiten hatten und Regierungskoalitionen meist aus zwei Parteien bestanden. Nun scheint in all drei Bundesländern drei Parteien gebraucht zu werden, um regierungsfähige Mehrheiten zu erreichen - das ist etwas, was in Deutschland bisher eher als Notlösung betrachtet wurde.“

„Tages-Anzeiger“ (Zürich):

„Ist das nun ein dramatischer Rechtsrutsch? Ja, aber auch nein. Schon lange vor dem Aufstieg der AfD gab es in Deutschland ein nationalistisches, elitenskeptisches und fremdenfeindliches Lager von rund einem Fünftel der Bevölkerung. Dieses war aber teils noch in den Volksparteien CDU/CSU gebunden oder versank im schwarzen Loch der Minderheit von Nichtwählern. Die AfD ist nun die erste Partei, die diesen Bürgern über den Protest der Stunde hinaus eine Stimme und eine Heimat gibt.

Der Erfolg der AfD bringt eine historische Zäsur. Das Trauma der Nazivergangenheit hatte zur Folge, dass rassistische und nationalistische Kräfte in Deutschland während sechs Jahrzehnten erfolgreich stigmatisiert wurden. Die Eliten unternahmen alles, um zu verhindern, dass sie sich in einer großen Partei am rechten Rand organisieren. Dieses Tabu ist Geschichte.“

„Neue Zürcher Zeitung“ (Zürich):

„Auf den Triumph der AfD gibt es zwei mögliche politische Antworten. Erstens ziehen die Strategen der etablierten Parteien die Konsequenzen aus dem starken Signal, das die Wähler mit dem Großerfolg der AfD übermitteln möchten. Die Parteien erkennen, dass der Großteil der Wähler des Aufsteigers nicht einfach ein Haufen trüber Rassisten, Extremisten und Dummköpfe ist, die man am besten ignoriert. Vielmehr erkennen sie, dass ihnen viele der eigenen, durchaus bürgerlichen und ehrenhaften Wähler abhandengekommen sind, weil diese nicht mehr geneigt sind, die Politik der Regierungskoalition nach dem Motto von Kanzlerin Merkel als alternativlos zu betrachten. (...) Die zweite mögliche Antwort ist ein empörter Aufschrei in Medien und Politik über die Bedrohung durch die „rechtspopulistische“ AfD. Diese wird zusammen mit ihren Wählern weiterhin aus dem politischen Diskurs ausgegrenzt. CDU und SPD klammern sich an die Hoffnung, auch nach neuerlichen Verlusten noch genug Gewicht im Bundestag aufzubringen, dass es wieder für eine große Koalition reicht. Die Machtverhältnisse bleiben unverändert, doch die Legitimationsbasis schrumpft, und die Spannungen und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nehmen zu. Das zweite Szenario ist aller Erfahrung nach das wahrscheinlichere. Doch für ein Umdenken wäre es nicht zu spät.“

„Berlingske“ (Kopenhagen):

„Seit der Gründung der rechten Partei haben die etablierten Parteien gehofft, dass das ungemütliche Phänomen von selbst wieder verschwinden würde. Entweder als Folge interner Querelen oder politischer Inkompetenz. Oder als Folge der politischen Konjunktur, die sich inzwischen als weit unberechenbarer herausgestellt hat, als selbst die für gewöhnlich gründliche Merkel hat voraussehen können.

Wenn die Alternative für Deutschland nach vorne stürmt, geschieht das nicht nur aufgrund der unmittelbaren Herausforderung, die die Flüchtlingskrise für den Alltag der Deutschen darstellt, sondern aufgrund einer seit langem schwelenden Unzufriedenheit mit dem Burgfrieden zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten, der dazu geführt hat, dass die deutsche Innenpolitik seit mehr als zehn Jahren einer Konferenz von Versicherungsmaklern mittleren Alters gleicht.“

„El Pais“ (Madrid):

„Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde von den Wählern abgestraft. Der Vormarsch der ausländerfeindlichen und euroskeptischen AfD bedeutet ein politisches Erdbeben, das durch die Flüchtlingskrise ausgelöst wurde. Für Deutschland und das übrige Europa sind die Wahlergebnisse eine sehr schlechte Nachricht.

Deutschland ist die Lokomotive der europäischen Wirtschaft und in der EU ein unersetzbarer Stützpfeiler. Wenn sich in der öffentlichen Meinung dieses Landes die Ansicht ausbreitet, dass Europa ein Hindernis für den Wohlstand der Deutschen ist und die Ausländer die Schuld an den Schwierigkeiten haben, muss dies alle Demokraten auf dem Kontinent beunruhigen. Für die deutschen Politiker ist es eine Warnung, die sie mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 nicht ignorieren können.“

„Lidove noviny“ (Prag):

„Die deutsche Kanzlerin führt ein großes Migrations-Experiment durch, das nun erstmals einem Test durch die Wähler unterzogen wurde. Wen repräsentiert Angela Merkel dabei? Die Christdemokraten, denen sie vorsteht, oder eher die Grünen, in deren Intentionen sie handelt? Es ist augenscheinlich, dass ein großer Teil der Nation hinter ihr steht. Aber steht dieser hinter ihr als Chefin der CDU oder als eigene Kraft grüner Politik? Nach den Landtagswahlen muss man vermuten, dass den Wählern weniger am Schicksal der CDU gelegen ist als an dem der Kanzlerin.“

„Hospodarske noviny“ (Prag):

„Die Wahlen galten als Referendum über die Migrationspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nachdem im vorigen Jahr mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren. Für die Kanzlerin ist dieses Referendum nicht gut ausgegangen. Den größten Stimmenzuwachs kann die euroskeptische Antimigrationspartei Alternative für Deutschland (AfD) verzeichnen. (...) Merkel hat zuletzt selbst mehrmals gesagt, dass in diesem Jahr nicht genauso viele Asylbewerber aufgenommen werden können wie im vorigen. Obwohl sie die Schließung der mazedonisch-griechischen Grenze und die österreichische Obergrenze für Flüchtlinge kritisiert, haben gerade diese Schritte zuletzt am meisten zur Reduzierung der Ankunftszahlen an den deutschen Grenzen beigetragen.“

„Sega“ (Sofia):

„Die Wahlen in drei deutsche Bundesländer bestätigten am Sonntag die bereits begonnene Wende bei den Gefühlen der Deutschen zur Kanzlerin Angela Merkel. Sie hatte sich viel Kritik wegen ihrer Politik der offenen Arme für Flüchtlinge zugezogen. Als treffend erwiesen sich nun die Meinungsumfragen, wonach 56 Prozent der Deutschen Merkels Haltung nicht befürworten und mehr als zehn Prozent der Wähler mit der Anti-Immigranten-Partei Alternative für Deutschland sympathisieren. Obwohl regional, hatten die (Landtags)Wahlen eine nationale Bedeutung.“