„Schwarze Seelen“: Der Weg dreier Buben von Hirten zu Drogendealern

Rom (APA) - Von Hirten zu Drogendealern: In wilden Orten atemberaubender Schönheit, im Aspromonte, dem bergigen Herzen Kalabriens, wachsen d...

Rom (APA) - Von Hirten zu Drogendealern: In wilden Orten atemberaubender Schönheit, im Aspromonte, dem bergigen Herzen Kalabriens, wachsen drei Buben wie Brüder auf. Luciano, Luigi und der Ich-Erzähler sind Hirtenkinder und „Söhne der Wälder“ und haben von Jugend an große Ambitionen: Zu Geld zu kommen, egal wie. Diesen Weg schildert „Schwarze Seelen“ von Gioacchino Criaco (Deutsch beim Wiener Folio-Verlag).

Die „Söhne der Wälder“ stammen aus einem Volk, das jahrtausendelang in den Wäldern der Berge des Aspromonte gelebt hat. Doch sind die drei jungen Protagonisten des Buches nicht mehr passive Opfer eines archaischen Systems. Sie werden zu Akteuren des organisierten Verbrechens, das über die Grenzen des Dorfes Africo im Aspromonte in die Welt hinausgeht.

„Die Söhne der Wälder“, wie ein Teil von Criacos Roman heißt, machen Italiens Industriehauptstadt Mailand zum wirtschaftlichen Herzen ihrer auf Drogenhandel basierenden kriminellen Aktivitäten und agieren auf europäischer Ebene. Die Protagonisten versinken unabwendbar in einem moralischen Abgrund und überschreiten ohne Gewissenskonflikte die Trennlinie zwischen Gut und Böse. Das Buch folgt dem Schicksal der drei Freunde, beginnend mit der Entführung reicher Industrieller aus Norditalien in den 70er-Jahren über die Verwicklungen mit der ‚Ndrangheta im internationalen Drogenhandel der 90er-Jahre.

Der 51-jährige Criaco, der 2009 mit „Schwarzen Seelen“ als Romanautor debütierte und damit einen Überraschungserfolg geerntet hat, kennt die ‚Ndrangheta direkt. Sein Werk basiert schließlich auf schmerzhaften, persönlichen Erfahrungen. Criaco stammt selber aus Africo und ist Sohn einer Hirtenfamilie. Nach der Matura studierte er mithilfe eines Begabtenstipendiums an der Universität Bologna Jus und arbeitete als Rechtsanwalt in Mailand. Sein Vater Domenico wurde 1993 in einer Blutfehde umgebracht. Sein Bruder Pietro Criaco zählte bis zu seiner Verhaftung 2008 zu den 30 meistgesuchten Kriminellen Italiens.

Nachdem aus „Schwarze Seelen“ auch ein erfolgreicher Film wurde und dem Regisseur Francesco Nunzi eine Nominierung für den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig 2014 eingebracht hat, ist Criaco nach vielen Jahren in Mailand nach Kalabrien zurückgekehrt. Hier trifft er Jugendliche in den Schulen und erzählt ihnen über die Gefahren, die mit dem organisierten Verbrechen verbunden sind, über das Risiko, sich zu verlieren, wenn man sich für das Böse entscheidet.

„In meinem Roman wird ein kollektives Drama geschildert, das Drama einer ganzen Generation, die 30 Jahre lang einen schrecklichen Weg beschritten hat. Bei meinen Treffen mit jungen Leuten in Kalabrien, rufe ich sie immer wieder auf, ihr Leben nicht zu vergeuden. Man muss dem Bösen ins Gesicht blicken und es erkennen. Wer Böses macht, ist immer selbst dafür verantwortlich, man kann nicht anderen die Schuld dafür in die Schuhe schieben. Schuld ist immer eine persönliche Angelegenheit“, sagt Criaco im Gespräch mit der APA.

Eins muss laut Criaco klar sein: Kriminalität ist nicht an einen bestimmten Ort geknüpft. „Sie entsteht dort, wo die Rechte der Menschen missachtet werden, wo es keine Möglichkeiten gibt, sich zu bilden und einer ehrlichen Arbeit nachzugehen“, berichtet der Autor. Die ‚Ndrangheta habe sich der globalisierten Welt angepasst. Sie sei nicht mehr eng mit Kalabrien verbunden. „Die mafiösen Clans agieren heute global, sie bieten illegale Dienstleistungen an, dort wo es die Gesellschaft verlangt. Unsere Gesellschaft will Drogen, und die Clans bieten Drogen. Die Gesellschaft braucht Liquidität und die mafiösen Organisationen bieten Schwarzgeld. Braucht die Gesellschaft Schwarzarbeit? Die Clans organisieren den illegalen Beschäftigungsmarkt“, sagt Criaco.

Auch heute sei die Lage in Kalabrien nach Jahren der Wirtschaftskrise dramatisch. „Wegen der erschreckend hohen Arbeitslosigkeit wandern tausende Jugendliche wie in den 60er-Jahren aus Süditalien aus, weil sie hier keine Zukunftsperspektiven haben. Das Problem Kalabriens ist der Stillstand, der hält uns im Sumpf fest. Ich bin jedoch trotz allem optimistisch. Es gibt frische Kräfte in Kalabrien und viele Menschen die nicht resignieren und für einen Neubeginn arbeiten. Leider sind diese positiven Energien noch verzettelt“, sagte der Autor.

Die Übersetzung in deutscher und französischer Sprache verleiht „Schwarze Seelen“ jetzt eine internationale Dimension. Criaco startet eine Lesereise in Deutschland und Österreich. Am 13. April wird das Buch in der Hauptbücherei in Wien vorgestellt.

(S E R V I C E - „Schwarze Seelen“ von Gioacchino Criaco, Folio Verlag Wien, 233 Seiten, 22,90 Euro)