Gesellschaft

Ende der Tiroler Postkartenidylle

Ein altes Foto vom Kammerlander Hof in Thurn bei Lienz.
© Bundesdenkmalamt

Die fortschreitende Zersiedelung erreicht selbst entlegene Winkel und verändert das Erscheinungsbild Tirols. Nun gibt es aber zumindest Bemühungen, die Landschaft vor weiteren Verlusten zu bewahren.

Von Markus Schramek

Innsbruck –Tirol ist schön. Manche sagen, dies sei gottgegeben. Unverkennbar hinterlässt jedoch der Mensch Spuren im heiligen Land. Die Zersiedelung schreitet voran. Bauen auf der grünen Wiese feiert fröhliche Urständ’. Moderne Einfamiliendomizile werden neben jahrhundertealte Bauernhäuser hingestellt. Ländliche Weiler wachsen sich zu kleinen Wohnsiedlungen aus, ob das nun mit der Landschaft in Einklang zu bringen ist oder nicht.

„Die Postkartenidylle, auf die Tirol so stolz ist, entspricht nicht mehr der Realität“, bringt es Walter Hauser auf den Punkt. Er leitet den Tiroler Ableger des Bundesdenkmalamtes in Innsbruck.

In den letzten Jahren entstand um den Kammerlander Hof eine Wohnsiedlung.
© Bundesdenkmalamt

„Landeskonservator“ ist die offizielle Bezeichnung für Hausers berufliches Tun. Darin steckt „konservieren“, vor dem Verlust bewahren. Doch diese Job-Beschreibung ist mitunter schwer zu erfüllen. „Ich kann zwar Objekte und Ensembles schützen, bei der sie umgebenden Landschaft bin ich aber völlig machtlos“, sagt Hauser frei heraus.

Das hat Folgen. Neubauten rücken dem denkmalgeschützten Bestand immer mehr auf die Pelle, ohne Rücksicht auf die Optik. „Gebaut wird mit den hundert immer gleichen Materialien, wie sie der Baumarkt anbietet“, formuliert es Hauser pointiert.

Der Konservator kommt viel herum im Land. Mit der Kamera hält er fest, wie sich Tirol verändert. Und das geht rapide vor sich. „In Thurn oberhalb von Lienz wurde der mehr als 500 Jahre alte Kammerlander Hof aufwändig renoviert und wegen seiner Besonderheit in ein Museum umgewandelt“, berichtet Hauser. Dann wurden angrenzende Wiesen zu Bauland gewidmet – mit logischen Konsequenzen. Hauser: „Es ist dort binnen zehn Jahren eine Siedlung entstanden. Die Sicht auf den Kammerlander Hof ist heute durch umliegende Häuser weitgehend verdeckt.“

Der Hof ist heute kaum noch zu sehen.
© Bundesdenkmalamt

Einige Täler weiter, aber immer noch in Osttirol, sieht Hauser Vorbildliches: „In Obertilliach im Tiroler Gailtal ist es gelungen, das Ortsbild im Einklang mit der Landschaft zu halten.“ Auch in Wildermieming im Nordtiroler Oberland sei die Harmonie zwischen Ort und Ambiente noch intakt, findet Hauser. Die übrigen 277 Gemeinden des Landes hätten damit aber schon Probleme.

Für Widmungs- und Bauangelegenheiten sind die Gemeinden selbst verantwortlich. Die kommunalen Oberhäupter nimmt Hauser trotzdem in Schutz. „Es wäre ungerecht, Bausünden den Bürgermeistern anzulasten. Viele wissen um das Problem, doch sie sind so nahe an den Bürgern, dass sie deren Druck nicht standhalten können.“

Hauser ist daher auf der Suche nach Mitstreitern auf der höheren politischen Ebene: dem Land. Gemeinsam sollen „50 bis 100“ Projekte in den Gemeinden festgelegt werden: traditionelle ländliche Kulturlandschaften, deren Erscheinungsbild schützenswert ist. Als Anreiz schwebt Hauser eine Förderung vor, ähnlich jener, wie sie Bauern für das Bewirtschaften agrarischer Flächen erhalten.

„Die Kulturlandschaft, über Jahrhunderte im ländlichen Tirol gehegt und gepflegt, ist das Gesicht des Landes. Dieses zu erhalten, ist nicht zuletzt auch für den Tourismus wichtig“, pocht Hauser auf die Macht des Faktischen. „Ist die Landschaft einmal verbraucht, kann man sie nicht mehr zurückholen.“

Im Innsbrucker Landhaus werden die Signale gehört. Der für Raumordnung und Gemeinden zuständige Landesrat Johannes Tratter erklärt den Schutz von Kulturlandschaft zum Landesinteresse. „In den Städten und Dörfern ist es gelungen, das Ortsbild durch Schutzmaßnahmen zu wahren“, betont Tratter. Nun gehe es darum, besonders typische Einheiten aus Landschaft und traditioneller Bebauung zu erhalten.

Mehrere Abteilungen des Landes arbeiten mit dem Bundesdenkmalamt zusammen. Schnellschüsse sind nicht zu erwarten. Tratter: „Das ist ein Prozess über Jahre mit Beratung und Förderung.“