„Tschechow ist immer aktuell“: Regisseur Victor Bodo vor Wien-Debüt
Wien (APA) - „Manchmal kommt es vor, dass ich im Theater sitze und denke, dass man das Geld vielleicht besser für anderes ausgegeben hätte -...
Wien (APA) - „Manchmal kommt es vor, dass ich im Theater sitze und denke, dass man das Geld vielleicht besser für anderes ausgegeben hätte - etwa für ordentliche Flüchtlingsquartiere oder bessere Verpflegung“, sagt Victor Bodo. „Aber das passiert mir nur in schlechten Aufführungen. Wenn Theater dagegen sehr gut ist, erlebt man Wunder. Dann hofft man darauf, dass die Welt ein klein wenig besser werden kann.“
Mit „Iwanow“ am Volkstheater inszeniert der ungarische Regisseur erstmals auch in Wien. Hier war der 37-Jährige, der für seine Arbeiten am Grazer Schauspielhaus unter der jetzige Volkstheater-Intendantin Anna Badora mehrfach für den Nestroy-Preis nominiert und für seine Handke-Inszenierung „Die Stunde, da wir nichts voreinander wussten“ auch zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, erst einmal zu sehen - 2014 mit dem Gastspiel seiner bösen Groteske „Anamnesis“ beim „Szene Ungarn“-Festival des Burgtheaters.
Seine 2008 gegründete Szputnyik Shipping Company, die das Stück mit dem Katona Jozsef Theater damals koproduziert hatte, musste mittlerweile aufgelöst bzw. auf eine freie Struktur mit Schultheater- und Theaterpädagogik-Angeboten reduziert werden. Diese Entscheidung ist Victor Bodo nicht leicht gefallen. Doch die Austrocknung der finanziellen staatlichen Quellen hätte dazu geführt, dass man immer häufiger im Ausland gastieren oder sogar als Gruppe ganz ins Ausland übersiedeln hätte müssen, sagt Bodo im Gespräch mit der APA: „Es war eine absurde Situation.“ Die heruntergefahrene Basis-Struktur nennt sich nun „Rettungsboot“. Dort beschäftigt man sich in Projekten auch mit der Flüchtlingskrise. „Dass sich Theater mit den Problemen der Gegenwart beschäftigt und dafür ein Forum bietet, ist selbstverständlich.“
Die Geschichte des heute überforderten, handlungsunfähigen, von der Entwicklung überrollten einstigen Reformers Iwanow möchte der Regisseur dennoch nicht einfach als Metapher für unsere heutige Zeit interpretiert wissen. „Das beeinflusst mich nicht. Ich muss nicht Zeitung lesen, um das Stück zu deuten.“ Natürlich habe man sich etwa mit der historischen Situation beschäftigt, in der Tschechow das Stück geschrieben habe. „Aber Tschechow ist immer aktuell. Er ist ein genialer Autor, der die Schwäche und die Niederträchtigkeit des Menschen ebenso gezeigt hat wie seine absurden und herzergreifenden Momente. Dass Menschen die Hoffnung verlieren, dass Talente zugrunde gehen, dass sie grausam zu einander sind, ohne es zu bemerken - all‘ dies wird sich in der Geschichte immer wieder wiederholen.“
Tschechow hat Bodo schon im Regie- und Schauspielstudium in Budapest viel beschäftigt - von „Platonow“ bis zum „Kirschgarten“, den er auch mit seiner eigenen Gruppe zum Teil erarbeitet hat. „Wir waren ein junges Ensemble, ein Tschechow-Bild ist aber erst vollständig, wenn alle Generationen darin vorkommen.“
Wie seine Inszenierung, die am Freitag Premiere hat, aussehen wird, möchte der im Gespräch hoch konzentrierte und bedächtig formulierende Regisseur nicht verraten: „Über das, was wir in einem Jahr Vorbereitung und acht Wochen Probenzeit machen, kann ich nicht in drei Sätzen sprechen.“ Ob man in „Iwanow“ den „Anamnesis“-Regisseur wiedererkennen werde, der keine Scheu vor grellen Bildern und bösem Witz hatte? „Vieles hat sich seitdem geändert. Mein Ziel ist, immer etwas Neues und Frisches zu entdecken. Jeder Stoff sollte eine neue Herausforderung bieten. Ich mag nicht, wenn man sagen kann: ‚Aha, das ist typisch Bodo...‘“
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - „Iwanow“ von Anton Tschechow, Regie: Victor Bodo, Bühne: Lorinc Boros, Kostüme: Fruzsina Nagy, Musik: Klaus von Heydenaber. Mit Gabor Biedermann, Thomas Frank, Günter Franzmeier, Steffi Krautz, Nadine Quittner, Stefanie Reinsperger, Claudia Sabitzer, Martina Spitzer, Stefan Suske, Jan Thümer, Luka Vlatkovic und Günther Wiederschwinger. Volkstheater Wien, Premiere: 18. März, 19.30 Uhr, Nächste Aufführungen: 22., 27., 30. März sowie am 6. April, Karten: 01/ 52111-400, www.volkstheater.at)