Deutsche Kulturszene 2 - Lilienthal gegen Tabuisierung der AfD

Stuttgart/München (APA/dpa) - Nach dem Wahlerfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) hat der prominente Theatermache...

Stuttgart/München (APA/dpa) - Nach dem Wahlerfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) hat der prominente Theatermacher Jossi Wieler zur Akzeptanz des Wählerwillens aufgerufen. „Die AfD ist in das Parlament gewählt worden. Das war ein demokratischer Prozess“, sagte der Intendant der Staatsoper Stuttgart der Deutschen Presse-Agentur am Montag.

„Jetzt müssen die Abgeordneten dieser Partei zeigen, dass sie ein Demokratieverständnis haben, das auf der Landesverfassung fußt“, sagte der Schweizer. Dazu gehöre auch die Freiheit der Kunst in ihrer Vielfalt. „Wir müssen aufmerksam sein und sorgsam darauf achten, dass dieses Grundrecht immer gilt und auch von dieser Partei respektiert wird“, betonte der 64 Jahre alte Regisseur.

Die AfD war am Sonntag bei der Wahl in Baden-Württemberg aus dem Stand drittstärkste Partei geworden - nach den Grünen und der CDU und vor der SPD. In Sachsen-Anhalt wurde sie zweitstärkste Kraft nach der CDU. Auch bei der Wahl in Rheinland-Pfalz zieht sie mit zweistelligem Ergebnis in den Landtag.

Der Intendant der Münchner Kammerspiele, Matthias Lilienthal, fordert eine Auseinandersetzung von Künstlern und Intellektuellen mit den Rechtspopulisten der AfD. „Ich glaube nicht, dass eine Tabuisierung der AfD irgendetwas hilft“, sagte er am Montag in München der Deutschen Presse-Agentur. „Künstler und Intellektuelle müssen darüber reden, warum sie die Positionen der AfD ablehnen und warum es gut ist, dass Flüchtlinge in unser Land kommen. Wir brauchen ein Votum für eine offene Gesellschaft, in der das Dazukommen zum Beispiel von Syrern und Irakern unsere Gesellschaft bereichert.“ Alle AfD-Wähler werde man mit Argumenten zwar nicht erreichen - „aber es gibt auch welche, die man erreichen kann“. Die AfD nutze die Ängste der Menschen vor einem sozialen Abstieg aus.

Lilienthal selbst engagiert sich sehr für Flüchtlinge und verursachte mit der „Schlepper- und Schleuser-Tagung“ an den Kammerspielen Aufsehen. Er sei im Zusammenhang mit dem Kongress sogar bedroht worden, sagte Lilienthal. „Es gab Anfeindungen - auch mit Drohungen gegen mich selbst, inklusive meiner Privatadresse.“ Anfang April startet an den Kammerspielen einmal pro Woche ein „Welcome Café.“ Die Idee dazu sei ihm gekommen, als er sah, welche Plattform AfD-Chefin Frauke Petry in einer Talkshow bekommen habe. „Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, dass man Flüchtlingen ein anderes Forum bieten muss.“

Künstler Philipp Ruch vom „Zentrum für politische Schönheit“ wertet den Wahlerfolg der AfD als „Riesenkatastrophe für dieses Land“. „Was unterschätzt wird, ist der Machthunger und der politische Extremismus der AfD“, sagte der 34-Jährige am Montag. Wenn sich AfD-Wähler überwiegend als Zeichen des Protest so entschieden hätten, wüssten sie nicht, wie Politik funktioniere. Der Deutsche Kulturrat rief am Montag zum Widerstand gegen die Politik der AfD. Im Wahlprogramm für Sachsen-Anhalt hatte die AfD geschrieben, Museen, Orchester und Theater seien in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern. „Da kann ich nur mitgehen und auch zum Widerstand aufrufen“, sagte Ruch. Problematisch sei eben, was die AfD unter Heimatbezug verstehe. Seiner Meinung nach sei damit völkisch gemeint, nicht Bevölkerung, Zuwanderer seien also nicht eingeschlossen. Die Mitte der Bevölkerung müsse die AfD von der Straße treiben, forderte der Aktionskünstler und Autor.

Der Chef des renommierten Hanser Verlags, Jo Lendle, erklärte: „Dass eine Partei ohne echtes Wahlprogramm und ohne Lösungsvorschläge bei einer Landtagswahl aus dem Stand auf fast ein Viertel der Stimmen kommt, lässt einen erschaudern.“ Deutschland müsse aufpassen, „kein von Launen getriebenes Land zu werden“. Der Regisseur und Produzent Michael Verhoeven sagte: „Diese AfD ist eine ‚NPD light‘“, sie wird hoffentlich sehr bald in die Bedeutungslosigkeit verschwinden“. Verhoeven hat sich in Filmen wie „Die weiße Rose“ oder „Let‘s go“ mit Themen wie Nationalsozialismus oder Diskriminierung beschäftigt.