Den Mythos am Leben erhalten
19 Jahre nach Jeff Buckleys Tod erinnern bislang unveröffentlichte Cover-Versionen an den großen Singer/Songwriter.
Von Silvana Resch
Innsbruck –Jeff Buckley hatte alles, was es für die Legendenbildung braucht: eine warme, einzigartige Stimme, Talent, das richtige Aussehen und – trotz Abwesenheit – einen übermächtigen Vater. Nach dem gefeierten Folksänger Tim Buckley, der seine Mutter verlassen hatte, als er sechs Monate alt war, durfte man Jeff Buckley aber nicht fragen. Er hatte seinen Vater ein einziges Mal gesehen, als er acht Jahre alt war, kurz danach, 1975, starb Tim Buckley an einer Überdosis Heroin. Musikjournalisten wurde es verboten, Buckley senior bei Interviews zu erwähnen, auch gesangstechnische Vergleiche wurden untersagt. Von zwei verwandten, gequälten Seelen mit enormem Stimmumfang und Ausdruck war dennoch allerorts zu lesen, Vater und Sohn sahen einander aber auch zu ähnlich.
Nachdem er mit seiner unsteten Mutter von Westküstenort zu Westküstenort gezogen war, ging Buckley als 19-Jähriger nach New York. Mit dem hippen Duo Gods & Monsters trat er erstmals ans Licht der Öffentlichkeit, um schließlich mit seinem 1994er Solo-Debüt „Grace“ zu reüssieren. Die eindrückliche, ikonische Arbeit landete auf zahlreichen Jahresbestenlisten. Und die Plattenfirma – ermutigt durch die glühenden Verehrer – glaubte, einen neuen Bob Dylan oder Bruce Springsteen am Start zu haben. Dementsprechend groß war der Druck, der auf Buckley lastete. Für einen dritten Anlauf, seine zweite Platte mit dem provisorischen Titel „My Sweetheart The Drunk“ einzuspielen, reiste der Musiker 1997 nach Memphis. Was dort am 29. Mai passierte, zählt zu den großen Mysterien der Popgeschichte.
Buckley, der abends in voller Montur im Mississippi River baden ging, ging in der Bugwelle eines Schiffes unter – und sollte nie mehr auftauchen. Obwohl der Roadie, der ihn begleitete, sofort die Rettungskräfte verständigte, wurde seine Leiche erst sechs Tage später gefunden. Der sensible Musiker hatte weder einen Abschiedsbrief hinterlassen, noch stand er unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen. Der Singer/Songwriter, der seinen Zeitgenossen bereits zu Lebzeiten Rätsel aufgegeben hatte, war zu diesem Zeitpunkt dreißig Jahre alt.
Sein Mythos lebt weiter, der Rolling Stone wählte ihn 2008 auf Platz 39 der 100 größten Sänger aller Zeiten, seine Version von Leonard Cohens „Halleluja“ wird als eine der besten Cover-Versionen aller Zeiten gefeiert. Mehr von Buckley eingespielte Cover-Nummern wurden nun, 19 Jahre nach seinem Tod, auf dem Album „You and I“ veröffentlicht. Das Label Sony hatte die Demo-Aufnahmen mit Gitarrenbegleitung – Stücke von Led Zeppelin, Bob Dylan oder den Smiths – zufällig entdeckt, darunter auch zwei frühe, ungeschliffene Versionen der Eigenkompositionen „Grace“ und „Dream of You and I“. An die Tiefe von „Grace“ reicht „You and I“ trotz Intimität und Intensität nicht heran, die Erinnerung an einen vielversprechenden Singer/Songwriter halten die Stücke aber weiter am Leben.