Forscher: Mendelsche Regeln aktuell wie eh und je

Wien (APA) - Durch schlaue und sorgfältige Experimente mit Erbsen veröffentlichte Gregor Mendel vor 150 Jahren die nach ihm benannten Regeln...

Wien (APA) - Durch schlaue und sorgfältige Experimente mit Erbsen veröffentlichte Gregor Mendel vor 150 Jahren die nach ihm benannten Regeln, wie Merkmale vererbt werden. „Heute erleben wir eine wahre Blüte der Genetik Mendelscher Merkmale“, erklärte Johann Sölkner von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien der APA. Etwa wie Lipizzaner weiß und Kühe gefleckt werden, habe man damit kürzlich herausgefunden.

„Schimmel werden dunkel geboren und ergrauen innerhalb von einigen Monaten, bis sie schließlich weiß sind“, erklärte Sölkner, der am Institut für Nutztierwissenschaften der Boku forscht und bei der Donnerstag und Freitag an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien stattfindenden Konferenz „150 Jahre Mendelsche Regeln“ zu dem Thema vortragen wird.

Seit langer Zeit sei bekannt, dass die Schimmelfärbung bei Pferden nach den Mendelschen Regeln dominant vererbt wird. Er fand mit Kollegen schließlich heraus, dass die „Schimmel-Mutation“ nicht in einem Gen, sondern einem großen regulatorischen Element liegt, wobei Pferde, die diese Mutation an beiden Chromosomen tragen, schneller ergrauen als jene mit nur einer solchen Variante. „Außerdem erkranken sie häufiger an einem Melanom, das aber bei Pferden relativ harmlos ist“, sagte er.

Die Mendelschen Regeln halfen Sölkner auch dabei, mit belgischen und Schweizer Kollegen zu klären, wie Rinder, zum Beispiel die gefährdete Rasse der „Pustertaler Sprinzen“, zu ihren Flecken kommen. „Wir entdeckten dabei ein ganz besonderes Erbmuster, wo ein Teil des KIT-Gens, das auch in vielen anderen Tieren wie Katzen und Pferden für die Färbung verantwortlich ist, auf ein anderes Chromosom dupliziert wurde“, so der Nutztiergenetiker.

„In solchen Fällen wissen wir aufgrund der Häufigkeiten der verschiedenen Typen bei den Nachkommen immer, dass die Färbung des Fells den Mendelschen Regeln folgt“, sagte er. Das treffe auch oft bei formgebenden Merkmalen zu und bedeute stets, dass nur ein einziges Gen für dessen Ausprägung zuständig ist. „Das ist attraktiv, weil man dann nur nach einem Ort im Genom suchen muss“, erklärte er.

Schwieriger sei die Situation, wenn wie etwa bei der Körpergröße von Mensch und Tier oder der Milchleistung von Kühen bis zu Hunderte Gene für ein Merkmal verantwortlich sind. Auch wenn sich die einzelnen Gene hier brav nach den Mendelschen Regeln vererben, wird die Sache rasch kompliziert, und die vielen Gene mit jeweils nur kleiner Wirkung sind schwer zu identifizieren.

Auch in der Pflanzenforschung seien die Mendelschen Regeln nach wie vor wichtig und haben all ihre Gültigkeit behalten, so Ortrun Mittelsten-Scheid vom Gregor Mendel Institut (GMI) der ÖAW in Wien. „Es ist bisher kein Widerspruch in irgendeiner Form aufgetaucht, für den es nicht andere Erklärungen gäbe“, sagte sie.

Mendel selbst habe auch mit anderen Pflanzen als mit Erbsen geforscht, die ihm Schwierigkeiten gemacht haben, weil sie sich, wie man heute weiß, durch eine Art Pseudobefruchtung (Apomixis) fortpflanzen. Denn hier gebe es keine reguläre Befruchtung, wodurch die Merkmale nicht unabhängig vererbt werden. Er ließ sich aber nicht irritieren, dass es noch andere Mechanismen gibt, die er nicht erkennen konnte, und konzentrierte sich auf die Fälle und Voraussetzungen, wo er seine Gesetzmäßigkeiten belegen konnte.

„Ein anderer Fall, wo Mendel auch Schwierigkeiten gehabt hätte, ist, wenn Eigenschaften im Erbgut der Zellorganellen, also Mitochondrien und Chloroplasten kodiert sind“, erklärte die Forscherin. Diese würden in den meisten Zellen rein mütterlich vererbt, weshalb die Mendelschen Regeln hier außer Kraft gesetzt sind.

Außerdem gebe es das sogenannte „Imprinting“, wo Eigenschaften unterschiedlich ausgeprägt werden, je nachdem, ob die Genvariante (Allel) vom Vater oder der Mutter stammt und „epigenetische Veränderungen“ durch die Gen-Aktivitäten zeitweilig verändert und in unterschiedlichen Zuständen an die Nachkommen weitergegeben werden.

„In Spezialfällen führen auch gewisse Eigenschaften zum Tod der Geschlechtszellen, wo die Allele nur in einfacher Kopie vorliegen“, sagte Mittelsten-Scheid. Dadurch werden sie nicht an die Nachkommen weitergegeben und die Ergebnisse verzerrt, wenn man das Vorkommen der Merkmale in den Nachkommen zählt.

Doch all dies sind Sonderfälle, die die Mendelschen Regeln unberührt lassen und zusätzliche, kompliziertere Phänomene in der Vererbung erklären können. Wenn man weiß, dass die Voraussetzungen dafür gegeben sind, kann man also nach wie vor uneingeschränkt mit den 150 Jahre alten Grundregeln der Genetik rechnen.

(SERVICE - Internet: Symposium: „150 Jahre Mendelsche Regeln: vom Erbsenzählen zum Gen-Editieren“, 17.-18. März, Akademie der Wissenschaften, Festsaal, 1010 Wien, Dr. Ignaz Seipel-Platz 2; http://go.apa.at/Xl64jJmu)