Internationale Pressestimmen zu deutschen Landtagswahlen

Berlin (APA/dpa) - Die Zeitungen befassten sich am Dienstag noch einmal mit dem Erfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland ...

Berlin (APA/dpa) - Die Zeitungen befassten sich am Dienstag noch einmal mit dem Erfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) bei den deutschen Landtagswahlen:

„Sud-Ouest“ (Bordeaux):

„Der Durchbruch der extremen Rechten jenseits des Rheins hat eine deutsche Ausnahme beendet (...), dabei ist mit dem Einbruch eines übergreifenden Populismus ein Tabu gefallen. (Bundeskanzlerin) Angela Merkel wusste, dass ihre aktuelle Flüchtlingspolitik mehr und mehr Deutsche aufregt. Tatsächlich kam die Quittung bei den drei Landtagswahlen: Mit Ergebnissen zwischen 11 und 24 Prozent schaffte die Alternative für Deutschland (AfD) einen donnernden Einzug in die Landesparlamente von Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Partei wird nirgendwo an die Hebel (der Macht) kommen, weil niemand daran denkt, sich mit ihr zu verbünden, aber der Wahlerfolg ist eine kostenlose Warnung für die Kanzlerin.“

„Telegraph“ (London):

„Vor einem Jahr war Angela Merkel unbestreitbar Europas mächtigste Politikerin, kraft ihrer langen Regierungszeit als deutsche Kanzlerin und der Wirtschaftsstärke ihres Landes. Ihr Einfluss ging weit über Deutschlands Grenzen hinaus: Um in der EU irgendetwas Ernsthaftes durchzusetzen, musste Frau Merkel an Bord sein. Aber mit einer schicksalsträchtigen Entscheidung hat sie sowohl ihre Stellung als auch ihren Ruf aufs Spiel gesetzt. Ihre Einladung letzten Sommer an Flüchtlinge und Migranten, nach Deutschland zu kommen, hat wohl ihre Regierung geschwächt und dem Zusammenhalt der EU vielleicht irreparabel geschadet.“

„Pravda“ (Bratislava):

„Die CDU hat einen hohen Preis für ihre Flüchtlingspolitik bezahlt und die Kanzlerin hat Grund zur Befürchtung, dass die Wahlen im Herbst 2017 die politische Landkarte Deutschlands völlig umwandeln werden. Beunruhigend ist vor allem, dass sich die Wähler von den klassischen Parteien abgewandt haben. Die Politik wird nicht mehr als Wettkampf auf der Achse Links-Rechts geführt, sondern zwischen den Verteidigern der liberalen Demokratie und denen, die ein autoritäres Prinzip durchsetzen wollen. Das verheißt nichts Gutes.“

„El Mundo“ (Madrid):

„Deutschland war bisher zusammen mit Spanien und Portugal eines der wenigen europäischen Länder, in denen die Rechtsextremisten und die Populisten nicht Fuß fassen konnten. Vielleicht auch deshalb, weil in diesen drei Ländern die totalitären Regimes nicht vergessen wurden, die man dort erleiden musste. Aber das hat sich nun geändert, weil die Unterstützung der AfD durch die Wähler auf nationaler Ebene bereits bei rund 15 Prozent liegt. Die Partei ist der SPD und den Grünen dicht auf den Fersen. Seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 breitet sich der Populismus fast in der ganzen Europäischen Union aus. (...) Er ist ein Produkt des Scheiterns. Seine Bekämpfung erfordert tiefe Veränderungen, die bei der Erneuerung der demokratischen Institutionen beginnen sollten.“

„Neue Zürcher Zeitung“:

„Damit ist der Albtraum von Franz Josef Strauss wahr geworden: Rechts von der Union hat sich eine Partei etabliert, die bessere Aussichten besitzt als die meisten ihrer Vorgänger wie die NPD oder die Republikaner. Natürlich laufen Neugründungen Gefahr, sich bald wieder zu zerlegen, auch der AfD kann dieses Schicksal blühen. Seitdem aber die CDU zu einer sozialdemokratischen Partei mutiert ist, finden viele politische Positionen in den Parlamenten nicht mehr statt, obwohl sie in der Gesellschaft virulent sind. Wer etwa die gegenwärtige Flüchtlingspolitik ablehnt, wird von keiner etablierten Gruppierung vertreten.“

„de Volkskrant“ (Amsterdam):

„Zur demokratischen Legitimation der AfD trägt sicher bei, dass die Partei ihren Sieg auch Wahlberechtigten zu verdanken hat, die es bisher vermieden haben, ihre Stimme abzugeben. Ob sie dadurch jedoch auch eine demokratische Partei ist, wird das Verhalten ihrer Vertreter in den drei Landtagen - und vielleicht im nächsten Jahr auch im Bundestag - zeigen müssen. Die Entwicklung der AfD seit ihrer Gründung vor drei Jahren von europakritisch-konservativ zu rechtspopulistisch, stimmt da jedenfalls nicht hoffnungsvoll. Deshalb schließen die etablierten Parteien eine Zusammenarbeit mit dem Neuankömmling aus. Allerdings hat die Schaffung einer ‚Pufferzone‘ rund um die AfD die Bildung von breiten, instabilen Koalitionen zur Folge. Und damit hat Deutschland bisher noch keine Erfahrungen. Die Frage ist, wie lange Bundeskanzlerin Merkel noch Teil dieser neuen Realität ist. Sie wird sich nur schwer des Vorwurfs erwehren können, dass sie mit ihrer ‚linken Politik‘ Raum für Rechts geschaffen hat.“

„Latvijas Avize“ (Riga):

„In Fußball-Terminologie ausgedrückt hat Angela Merkel die gelbe Karte gezeigt bekommen. (...) Zweifellos - größtenteils fiel die Kanzlerin aufgrund ihrer inkonsistenten Flüchtlingspolitik durch. Die Regierungschefin, die im vergangenen Sommer mit offenen Armen Flüchtlinge nach Deutschland eingeladen hat (was in der Tat einen noch größeren Flüchtlingsstrom auslöste), hat sich ihnen gegenüber zuletzt unerwartet kühler gezeigt. Dies deutet darauf hin, dass Merkel Realpolitikerin ist - und zu Änderungen bereit ist, falls es die Stimmung im Volk erfordert und Wahlen anstehen. Ihre plötzliche Meinungsänderung hat für Enttäuschung gesorgt, sowohl im linken Flügel ihrer Partei als auch bei jenen Anhängern von Grünen und Sozialdemokraten, die in Merkel für einen Moment eine Umsetzerin einer beinahe linksliberalen Politik gesehen haben. Rechtsgerichtete Wähler dagegen verärgerte Merkels jüngst noch gezeigte Sorge für Flüchtlinge und der verdächtige Flirt mit der Türkei.“