Grenzmanagement am Brenner ist abgesichert, Obergrenze unzulässig
Täglich greift die Exekutive 40 bis 100 illegal Einreisende auf Brennerachse auf, ab April werden Grenzen zu Italien dann intensiv kontrolliert. Laut Regierungsgutachten ist die Asylobergrenze rechtswidrig, die Kontrolle zulässig.
Von Peter Nindler
Wien/Innsbruck - Das Gutachten für die Bundesregierung zur beschlossenen Obergrenze von 37.500 Asylwerbern im heurigen Jahr ist noch nicht fertig, der Entwurf des Europarechtsexperten Walter Obwexer und des Verfassungsrechtlers Bernd-Christian Funk liegt aber bereits vor: Für die Obergrenze gibt es von den beiden Juristen keine Rückendeckung, denn Schutzsuchende dürfen von Österreich nicht abgewiesen werden. Die Grenzsicherung hingegen sei möglich, wird festgehalten.
Österreich kann demnach alle rechtlichen Möglichkeiten wie ein Grenzmanagement ausschöpfen, damit der Richtwert von 37.500 Asylwerbern pro Jahr bzw. 80 pro Tag eingehalten wird. Dazu gehören auch Kontrollen und die strikte Anwendung der Dublin-III-Verordnung, dass Flüchtlinge in jenem Land um Asyl ansuchen müssen, wo sie europäischen Boden betreten haben.
Für die Tiroler Landespolizei ist die Lage am Brenner nach wie vor ruhig. Die Aufgriffe von illegal einreisenden Personen halten sich auf der Brennerachse im berechenbaren Rahmen. Rund 40 bis 100 sind es täglich, die entweder von der Tiroler Polizei bzw. ihren bayerischen Kollegen gestoppt werden. Die Bayern kontrollieren am Grenzübergang Kufstein/Kiefersfelden schließlich nach wie vor engmaschig.
Auch die österreichische Politik agiert bereits im Vor-Kontrollmodus und drängt vehement auf die umstrittene Grenzsicherung am Brenner, in Sillian und am Reschen. Zum einen, weil mit einer Verlagerung der Flüchtlingsströme von der Balkan- auf die Brennerroute gerechnet wird. Andererseits soll der Asylrichtwert konsequent eingehalten werden.
Wie geht es jetzt am Brenner weiter? Die Vorbereitungen auf den Tag „X" laufen auf Hochtouren, nach Ostern dürften die baulichen Maßnahmen wie Kontrollspuren und -container sowie Absperrungen eingerichtet werden.
Für Tirols LH Günther Platter (VP) ist es eine notwendige Entwicklung, dass jene Maßnahmen, die auf der Balkanroute ergriffen wurden, auch für die Italienroute gelten müssen. „Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Flüchtlingsströme verlagern", geht Platter von massiven Belastungen am Brenner aus. In Nordafrika würden bereits wieder mehr als 200.000 Menschen auf die gefährliche Überfahrt nach Europa warten, gleichzeitig kontrolliere Deutschland die Grenzen von Tirol nach Bayern. „Deshalb geht es auch um ein klares und frühzeitiges Signal an die Flüchtlinge, dass sie am Brenner nicht weiterkommen", sieht der Tiroler Landeshauptmann Handlungsbedarf.
Um am Brenner selbst chaotische Zustände zu vermeiden, nimmt Platter einmal mehr Italien in die Pflicht. Mit Unterstützung der Europäischen Union seien die Flüchtlinge schon möglichst weit im Süden zu stoppen, entsprechende Unterkunftsmöglichkeiten zu schaffen und für Registrierungen der Menschen zu sorgen. „Ich sage ganz deutlich: Je geschlossener die Grenze im Süden von Italien, desto geöffneter kann die Grenze am Brenner bleiben", hofft der Landeshauptmann.
Südtirol wartet weiter ab, Tiroler Polizei sucht Verstärkung
Bozen, Innsbruck –So sehr Österreichs Politik die Kontrollen an der historisch belasteten Brennergrenze forciert, so zurückhaltend reagiert Südtirol. Im Gegensatz zu Bayern: Während Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Österreich zu seiner neuer Grenz-Politik beglückwünscht, ist Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher um pragmatische Zurückhaltung bemüht. „Für uns hat sich nichts geändert, wir können nur abwarten“, verlautete es gestern aus dem Büro des Landeshauptmanns. In der Europaregion haben sich die drei Landeshauptleute Ugo Rossi (Trentino), Günther Platter (Tirol) und Kompatscher zuletzt abgesprochen. Südtirol richtet sich jedenfalls darauf ein, dass das Grenzmanagement am Brenner in absehbarer Zeit startet. Weil es keine Anzeichen für Hotspots in Süditalien gibt, bereitet sich die Politik auf die Versorgung von Hunderten Flüchtlingen vor und bemüht sich auch um die Anmietung von Kasernen. Als Zentrum, um einen möglichen Flüchtlingsrückstau zu bewältigen, wird immer wieder die Kaserne in Brixen genannt. Massive Auswirkungen durch die Grenzkontrollen befürchtet die Wirtschaft südlich des Brenners. Italiens Frächterverband Conftrasporto-Confcommercio rechnet mit zusätzlichen Kosten für Fahrzeuge und Personal von rund 170 Millionen Euro.
50 neue Polizeischüler gesucht
Der Flüchtlingsstrom bringt die Tiroler Polizeibeamten an die Grenzen der Belastbarkeit. Überstunden sind an der Tagesordnung, freie Wochenenden eine Seltenheit. Ein Ende ist nicht in Sicht, die Überwachung der Südgrenze ab Mitte April wird für zusätzliche Belastungen sorgen.
Um die Personalnot etwas zu lindern, geht die Polizeiführung neue Wege. Und dafür sucht die Landesdirektion 50 Interessierte, die ab 1. September zu Polizisten ausgebildet werden. Neu ist, dass ein Teil der künftigen Beamten den Kurs im Schnellverfahren absolvieren wird. Das Ziel ist, diese Polizeischüler bereits nach sechs Monaten als Spezialisten für fremdenpolizeiliche Aufgaben für die Grenzüberwachung einzusetzen. Nach zwei Jahren sollen diese Beamten im Rahmen einer Ergänzungsschulung zu vollwertigen Polizisten ausgebildet werden. Die übrigen Teilnehmer des Herbstkurses erhalten die Standardausbildung, die zwei Jahre dauert. Bewerbungen an die Landespolizeidirektion. (pn,TT)