Staatschef von Suu Kyis Gnaden

Naypyidaw (APA/AFP) - Als Aung San Suu Kyi 2010 das Ende ihres Hausarrestes feierte, stand er an ihrer rechten Seite. Damals hätte sich der zurückhaltende Htin Kyaw wohl nicht im Traum vorstellen können, dass ihn seine enge Verbindung zu der Friedensnobelpreisträgerin sechs Jahre später ins höchste Staatsamt Myanmars katapultieren würde.

Am Dienstag wurde der 69-Jährige zum ersten zivilen Präsidenten des südostasiatischen Landes seit mehr als einem halben Jahrhundert gewählt. Sein Sieg gebühre Suu Kyi, sagte er im Anschluss unter dem Jubel der Abgeordneten und brachte damit zum Ausdruck, was er ist: Ein Präsident von Suu Kyis Gnaden.

Die Demokratie-Ikone mit dem ehrfurchtsvollen Spitznamen „The Lady“ hat in Myanmar die Sehnsucht der Menschen nach Überwindung der Militärjunta wiedererweckt und stetig wachsen lassen. Mit ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) eroberte sie im November fast vier Fünftel der zur Wahl stehenden Parlamentssitze. Doch auch nach der formellen Abschaffung der Militärherrschaft bleibt ihr selbst der Weg zur Präsidentschaft weiter versperrt - von einer Verfassung, die noch auf die Junta zurückgeht.

Welche Rolle ihr Freund aus Schulzeiten Htin Kyaw einnehmen wird, wenn er Ende des Monats die Präsidentschaft vom letzten Junta-Führer Thein Sein übernimmt, ist unklar: Suu Kyi kündigte schon an, sie werde „über“ dem formellen Staatsoberhaupt stehen und die Fäden in der Hand halten. Auch das Militär, das automatisch weiterhin ein Viertel der Parlamentssitze hält, hat weiter großen Einfluss. Eine von Htin Kyaws wichtigsten Funktionen wird es daher sein, gemeinsam mit Suu Kyi das neue Gesicht Myanmars zu zeigen.

Bisher ist der Sohn eines berühmten Poeten und Mann einer NLD-Parlamentsabgeordneten der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Er machte 1968 an der Universität von Rangun seinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, studierte im Anschluss in Großbritannien, den USA und Japan. In den 70er und 80er Jahren arbeitete er im Finanz- und Außenministerium, bevor er sich aus dem Staatsdienst zurückzog, weil das Militär seine Herrschaft ausweitete.

In den letzten Jahren gehörte Htin Kyaw zum Leitungsteam von Suu Kyis Wohltätigkeitsstiftung und wurde oft hinterm Steuer des Wagens gesehen, der die NLD-Chefin von Termin zu Termin brachte. Erst im vergangenen Jahr trat er selbst offenbar der NLD bei, das genaue Datum gab die Partei bis heute nicht bekannt.

Sei Vater gehörte zu den frühen Mitgliedern der Liga, der Vater seiner Frau war einst sogar Parteisprecher. „Er kommt aus einer sehr politischen Familie“, sagt der Myanmar-Experte Bertil Lintner. Htin Kyaw selbst übernimmt das höchste Staatsamt als politisch unbeschriebenes Blatt. ?