Milliardenklage wegen VW-Abgasskandals - Finanztochter muss sparen
Wolfsburg (APA/dpa) - Für Volkswagen wird es nun auch im Streit mit Großinvestoren um die Folgen der Abgasaffäre ernst: Eine Gruppe von 278 ...
Wolfsburg (APA/dpa) - Für Volkswagen wird es nun auch im Streit mit Großinvestoren um die Folgen der Abgasaffäre ernst: Eine Gruppe von 278 Profianlegern reichte am Landgericht Braunschweig eine Klage auf 3,255 Mrd. Euro Schadenersatz ein. Auch bei der für Autofinanzierung und Leasing zuständigen Tochter VW Financial Services wächst der Druck, den eigenen Sparkurs zu verschärfen - 2015 lief das Geschäft aber noch gut.
Eine Sprecherin des Gerichts bestätigte am Dienstag den Eingang der Klage. Knapp ein halbes Jahr nach dem Ausbruch des Skandals um manipulierte Stickoxid-Messwerte bei Abgastests wird damit - neben mehreren Verfahren privater VW-Kunden - ein weiterer Konflikt zu einer juristischen Großbaustelle in der Heimat des Autobauers: der um die rechtzeitige Mitteilung der Probleme im September 2015. In den USA, wo das Diesel-Debakel begonnen hatte, drohen bereits Sammelklagen.
In Braunschweig soll es um die bisher mit Abstand größte Summe gehen. Dort seien nun inzwischen 67 Klagen eingegangen, hieß es aus dem Landgericht. Die Gesamtsumme auf Schadenersatz daraus belaufe sich auf über 3,7 Mrd. Euro. Der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp hatte am Montag die Milliardenklage bestätigt. Er will die Kläger vertreten.
Bei den Vorwürfen geht es darum, ob VW seiner Auskunftspflicht gegenüber Aktionären nachgekommen ist. Der Konzern hatte erst Tage, nachdem die US-Umweltbehörde EPA ihre Manipulationsvorwürfe am 18. September öffentlich machte, über drohende finanzielle Konsequenzen informiert. Das Unternehmen bekräftigte mehrfach seine Auffassung, alle Pflichten erfüllt zu haben. Viele Anleger wollen sich ihre Verluste aus dem abgesackten Aktienkurs von VW aber erstatten lassen.
Am Dienstag gerieten die Vorzugspapiere der Wolfsburger im Leitindex DAX nach dem Bekanntwerden der Investorenklagen abermals unter Druck. Ihr Kurs fiel bis zum Nachmittag teils um mehr als 3 Prozent.
Unter den Klägern im Braunschweiger Fall sind der größte US-Pensionsfonds Calpers und die deutsche Sparkassen-Fondstochter Deka. Zunächst hatten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR über dieses Verfahren berichtet. Schon zuvor gab es dutzende ähnliche Klagen.
Laut Tilp wollen sich andere Investoren dem Verfahren anschließen. „Das ist erst der Anfang“, sagte der Anwalt. Ein Sprecher der Vermögensverwaltung Allianz Global Investors (AGI) hatte vor einigen Tagen gesagt, man müsse prüfen, „ob unsere Anleger geschädigt worden sind und wir dann dementsprechend Schritte einleiten“.
Parallel versuchen es andere Anwälte, unter ihnen einer aus Wien, mit einem Sammelverfahren für Anleger und Investoren in den Niederlanden. Dort ist über eine Stiftungslösung auch ein Generalvergleich möglich. Auf den beiden „Stichting“-Plattformen haben sich bereits 100 Großanleger mit einem Investitionsvolumen von mehr als 200 Mio. Euro bzw. 20.000 Autofahrer registriert. In Österreich haben sich zusätzlich 60.000 VW-Fahrer beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) gemeldet, der die Daten der Autofahrer an die Amsterdamer Stiftung weiterleitet. Die Teilnahme an den Stiftungen ist für Betroffene kostenlos. Die Kosten übernimmt in den Niederlanden üblicherweise der Gegner. Wenn dieser sich weigert, kassiert der Financier, eine New Yorker auf Massenverfahren spezialisierte Großkanzlei, 18 Prozent des erstrittenen Betrags.
Die Finanzsparte des größten europäischen Autobauers indes will in diesem und im kommenden Jahr 300 Mio. Euro an Kosten einsparen - 100 Millionen waren es bereits 2015. „Dabei kommen wir um manche harte Einschnitte nicht herum“, sagte VWFS-Finanzchef Frank Fiedler bei der Zahlenvorlage am Dienstag in Frankfurt. „Es wird nicht mehr alles möglich sein, was wir früher als selbstverständlich angesehen haben.“
Im laufenden Jahr dürfte es für das Unternehmen teurer werden, sich frisches Geld zu besorgen, weil große Ratingagenturen die Noten für die Kreditwürdigkeit der Autobank gesenkt hatten. Die Unsicherheit lässt den Autofinanzierer auch bei seiner Prognose vorsichtig werden. 2015 stieg das operative Ergebnis um knapp 13 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro. Für 2016 setzt sich die VW-Finanzsparte 1,7 Mrd. Euro als Mindest-Zielmarke.
Unterm Strich kletterte bei der VW Financial Sevices AG, in der unter anderem das Geschäft in Europa abgewickelt wird, der Gewinn im vorigen Jahr noch stark um 35 Prozent auf 1,2 Mrd. Euro. Die VW-Tochter bildete aber bereits Rückstellungen wegen möglicher Verluste im Abgas-Skandal. Eine Gefahr ist, dass Leasingautos zu einem höheren vertraglich zugesicherten Preis zurückgekauft werden müssen, als sie eigentlich wert sind.
~ ISIN DE0007664039 WEB http://www.volkswagenag.com ~ APA494 2016-03-15/16:05