Flüchtlingspolitik

Europa ringt vor neuem Türkei-Gipfel um Geschlossenheit

Extratreffen einzelner Staats- und Regierungschefs mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu (l., hier am Rande des letzten Gipfels mit seinem griechischen Amtskollegen Alexis Tsipras) sind vor dem Treffen am Freitag nicht erwünscht.
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Beim EU-Gipfel soll am Freitag der Flüchtlingspakt mit der Türkei besiegelt werden. Die Europäer präsentieren sich vor dem Spitzentreffen uneins.

Von Christian Böhmer, dpa

Brüssel – Hinter den Brüsseler Kulissen wird eine Bitte ganz deutlich ausgesprochen: Unmittelbar vor dem EU-Gipfel Ende der Woche sind neue Extratreffen einzelner Staats- und Regierungschefs mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu nicht erwünscht. Dieser Hinweis wird nicht mit Namen verbunden, richtet sich aber de facto an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Mark Rutte, Regierungschef der Niederlande.

Die beiden Spitzenpolitiker hatten vor dem EU-Türkei-Gipfel am 7. März stundenlang mit Davutoglu zusammengesessen und dessen erweiterten Flüchtlingsplan erörtert. Beim Gipfel vor gut einer Woche zeigten sich dann mehrere EU-Chefs überrascht, manche auch verärgert.

Eine Entscheidung für den Flüchtlingspakt wurde auf den nächsten Gipfel vertagt. Wenn auf mehreren Kanälen verhandelt werde, sei eine Einigung am Donnerstag oder Freitag fraglich, heißt es nun warnend aus der EU-Machtzentrale.

Vor dem mit Spannung erwarteten Gipfel wird vor Mikrofonen und laufenden Kameras Zuversicht verbreitet. Er sei relativ optimistisch, dass Ende der Woche eine Vereinbarung möglich sei, meint der niederländische Außenminister Bert Koenders. Ähnlich äußert sich der deutsche Staatsminister Michael Roth: „Die Verständigung ist in Reichweite.“

Tusk muss bei Deal nachbessern

Vor dem neuen Spitzentreffen, zu dem Davutoglu erst am Freitag erwartet wird, müht sich unterdessen Gipfelchef Donald Tusk, einen einwandfreien Vorschlag zu präsentieren. Dazu muss an mehreren Stellen nachgebessert werden, unter anderem bei rechtlichen Aspekten. Der Pole machte sich auf dem Weg nach Zypern und in die Türkei, um seinen Deal in letzter Minute abzusichern.

Tusk pocht darauf, dass bei der Rückführung aller Flüchtlinge, die unerlaubt aus der Türkei auf die griechischen Ägäis-Inseln übersetzen, EU-Asylregeln und internationale Verpflichtungen eingehalten werden. Das bedeutet: Ankommende Menschen müssen befragt werden, und es muss die Möglichkeit einer Berufung geben. Tusk steht unter Druck, denn nach dem Türkei-Gipfel Anfang März hagelte es Kritik. So meldete UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi Bedenken bei pauschalen Rückführungen an.

Einwände von mehreren Seiten

Einwände gegen den Türkei-Deal kommen aus mehreren EU-Hauptstädten, die Gründe dafür sind unterschiedlich. Der zyprische Präsident Nikos Anastasiades droht damit, die Öffnung weiterer Bereiche bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu blockieren. Nikosia fordert, dass Ankara das EU-Mitglied Zypern anerkennt.

Spanien dringt darauf, internationales Recht einzuhalten. Und Bulgarien strebt an, den Schutz seiner Grenzen in das Flüchtlingsabkommen mit Türkei einzubeziehen. In Paris warnte Präsident François Hollande schon am vergangenen Wochenende vor übereilten Zugeständnissen an Ankara. Es dürfe „keine Zugeständnisse im Bezug auf Menschenrechte oder die Kriterien zur Visa-Liberalisierung“ geben, lautet das Credo des Sozialisten.

Welle der Gewalt in der Türkei

Sorge macht in Brüssel die Welle der Gewalt in der Türkei. Bei einem Autobombenanschlag kamen am Sonntag in der Hauptstadt Ankara mindestens 37 Menschen ums Leben. Die Regierung vermutet die verbotene Arbeiterpartei PKK hinter dem Attentat. In Brüssel gibt es bisher keine Hinweise, dass Davutoglu wegen der angespannten Sicherheitslage in seiner Heimat letztlich doch nicht zum Gipfel kommen könnte.