Kunst

Unter gläsernen Kaskaden in der Geschichte baden

© KHM-Museumsverband

Die italienischen Geschwister Santillana infiltrieren Schloss Ambras mit zeitgenössischer Glaskunst: ein Dialog, von dem beide Seiten profitieren.

Von Ivona Jelcic

Innsbruck –Ursprünglich hätten sich Laura de Santillana und Alessandro Diaz de Santillana lediglich jene Räumlichkeiten von Schloss Ambras vorknöpfen sollen, die seit 2013 die Glassammlung Strasser beherbergen. Das Projekt hat sich dann aber doch über die ganze Schlossanlage ausgedehnt, wo nun zwischen Eisen- und Folterwerkzeugen aus dem 16. Jahrhundert eine abstrakte Schlafende aus Glas hingestreckt liegt, wo gläserne Kaskaden ins Bad der Philippine Welser zu stürzen scheinen oder Habsburger-Fürsten in geschwärzte Zerrspiegel blicken.

Die Interventionen reichen von der Kunst- und Wunderkammer bis in die Porträtgalerie. Das Schöne an ihnen ist auch, dass sie immer wieder als Rückspiegel auf die Ambraser Glasgeschichte funktionieren: Erzherzog Ferdinand II. wollte Innsbruck bereits im 16. Jahrhundert zu einem Zentrum der Glaskunst machen und errichtete 1570 eine eigene Glashütte. Das nötige Knowhow sollten Spezialisten aus dem Glas-Mekka Murano liefern – Venedig lieh sie nur ausnahmsweise nach Innsbruck aus. Ferdinands Sammlungen haben auch davon zweifellos profitiert.

Venezianische Glaskunst – wohlgemerkt abseits der Kitschorgien an den Souvenirständen der Lagunenstadt – umweht heute noch eine alchemistische Aura, de facto bedarf es dafür vor allem großer handwerklicher Perfektion. Die Geschwister Santillana sind mit beidem aufgewachsen: Als Enkel des berühmten Paolo Venini, der 1921 auf Murano die gleichnamige Glasfirma gründete, haben sie selbst im Familienunternehmen mitgearbeitet. Um schließlich als freie Glaskünstler tätig zu werden, die sich internationales Renommee erworben haben. Gemeinsame Ausstellungen gibt es selten, zuletzt im Wiener MAK. Nach Ambras musste man sie nicht allzu lange bitten: Das Licht, die Räume, die Sammlungen habe sie sofort fasziniert, so Laura de Santillana beim Presserundgang am Mittwoch.

Ein eigener Plan führt zu den Stationen von „Wunderglas“, so der Titel der Schau, die auch für Ambras-Kenner eine Einladung ist, die Sammlungen aus neuen Blickwinkeln bzw. in verändertem Umfeld zu betrachten. In der Wunderkammer hat Laura de Santillana ihre Objekte diskret unter die vorhandenen geschmuggelt: Da tauchen aus erhitzten Glasröhren geknotete „Tangles“ neben Steinschnitzereien aus dem 16. Jahrhundert auf, dem berühmten Ambraser „Tödlein“ schaut ein goldener Totenkopf aus Glas ins Gesicht. Alessandro Diaz de Santillana ist auch ein Spieler mit illusionistischen Aspekten, etwa wenn er das Glas zu welligen Flächen erstarren lässt, in die man glaubt, eintauchen zu können. Die Tatsache, dass dabei auch venezianische Bootslacke und -hölzer verwendet werden, tut das Ihre dazu.

Am intensivsten und schillerndsten gerät der Dialog im Spanischen Saal, wo die Arbeiten der Santillanas in ihrer formalen Reduktion einen Kontrapunkt zur üppigen Ausstattung bieten und gleichzeitig raffiniert mit dem vorhandenen Farb- und Lichtverhältnissen spielen.