Türkische Regierung macht PKK für Anschlag von Ankara verantwortlich
Istanbul/Ankara (APA/dpa/AFP) - Die türkische Regierung hat die Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für den Terroranschla...
Istanbul/Ankara (APA/dpa/AFP) - Die türkische Regierung hat die Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für den Terroranschlag von Ankara mit mindestens 37 Toten verantwortlich gemacht. Das Innenministerium teilte am Dienstag mit, die „separatistische Terrororganisation“ habe den „abscheulichen Anschlag“ vom Sonntag in der türkischen Hauptstadt verübt. Die Selbstmordattentäterin sei identifiziert worden.
Sie sei 1992 im osttürkischen Kars geboren worden und habe seit 2013 der PKK angehört. Die Frau habe in Syrien beim dortigen Ableger der PKK, der Kurdenmiliz YPG (Volksverteidigungseinheiten), eine „Terrorausbildung“ erhalten.
Bereits für einen Anschlag in Ankara vor knapp einem Monat hatte die Regierung die PKK und die YPG verantwortlich gemacht. Zu diesem Anschlag hatte sich die aus der PKK hervorgegangene Splittergruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) bekannt.
Die Türkei fordert westliche Staaten bisher vergeblich dazu auf, die YPG auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) betrachtet der Westen die YPG als Verbündeten. Die PKK ist dagegen nicht nur in der Türkei, sondern auch in der EU und den USA verboten.
Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte am Montagabend bereits gesagt, es gebe „beinahe sichere Hinweise“ darauf, dass die PKK für den Anschlag von Ankara verantwortlich gewesen sei. Die türkische Luftwaffe bombardierte am Dienstag erneut PKK-Stellungen im Nordirak. Dabei seien in der Region Kandil 45 PKK-Kämpfer getötet worden, teilte das Militär mit. In Kandil hat die PKK ihr Hauptquartier.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan forderte als Folge aus dem Anschlag in Ankara eine breitere Definition von Terrorismus im Strafrecht. „Zwischen Terroristen, die Waffen und Bomben tragen, und jenen, die ihre Position, ihren Stift oder ihren Titel den Terroristen zur Verfügung stellen, damit diese an ihr Ziel gelangen, besteht überhaupt kein Unterschied“, sagte Erdogan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montagabend. „Hier geht es nicht um Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder Versammlungsfreiheit.“
Die Gewalt in der Südosttürkei dauerte unterdessen an. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, bei Zusammenstößen in der südosttürkischen Kurdenmetropole Diyarbakir seien drei PKK-Kämpfer und ein Soldat getötet worden. Die Armee teilte mit, in Nusaybin an der syrischen Grenze sei ein PKK-Kämpfer getötet worden. Die Polizei setzte ihre landesweiten Razzien fort. Dutzende Menschen wurden festgenommen, darunter mehrere Minderjährige, wie DHA berichtete. Bei den Anschuldigungen geht es nicht unbedingt um Terrorismus, sondern beispielsweise auch um die Teilnahme an verbotenen Demonstrationen.
Zwei Tage nach dem Anschlag in Ankara sorgte ein verlassenes Fahrzeug auf einer der beiden Bosporus-Brücken in Istanbul für Verkehrschaos. Wegen Bombenverdachts sperrte die Polizei am Dienstag für etwa eine Stunde die stark befahrene Brücke, wie die türkischen Nachrichtensender berichteten. Sprengstoffexperten untersuchten das Fahrzeug, bevor es von einem Abschleppwagen weggebracht wurde. Nach Informationen von CNN-Türk hatte der Fahrer sein Auto nur stehen gelassen, weil ihm das Benzin ausgegangen war.
Unterdessen warnte die Deutsche Botschaft in Ankara Bundesbürger vor weiteren Anschlägen in der türkischen Hauptstadt, die direkt bevorstehen könnten. „Bitte begeben Sie sich möglichst unmittelbar nach Hause und warten Sie die weiteren Entwicklungen ab“, hieß es am Dienstagnachmittag in einer Mitteilung an deutsche Staatsbürger in Ankara. Es gebe konkrete Warnungen vor Anschlägen unter anderem in Einkaufszentren. „Wir müssen davon ausgehen, das es noch weitere Bedrohungen gibt.“ Die deutsche Schule und der Kindergarten würden vorzeitig geschlossen.
Auf der Homepage des Außenministeriums heißt es zur Türkei unter Aktuelle Hinweise: „Aufgrund der sich zuletzt häufenden Anschläge (u. a. auch in Ankara und Istanbul) wird dringend empfohlen, stark frequentierte Plätze (wie Einkaufszentren, Konzerte, kulturelle und sportliche Großveranstaltungen, religiöse Stätten und touristische Sehenswürdigkeiten) sowie Staats- und Regierungsgebäude und militärische Einrichtungen zu meiden. Weiters ist aufgrund der angespannten Sicherheitslage mit Verkehrsbehinderungen (Sperren von Straßen und Brücken) zu rechnen. Anweisungen der türkischen Behörden und Sicherheitskräfte ist unbedingt Folge zu leisten.“
Nach zwei Jahren relativer Ruhe war der Kurdenkonflikt in der Türkei im vergangenen Sommer wieder eskaliert. Die türkische Armee geht seit Dezember im Südosten des Landes mit aller Härte gegen mutmaßliche PKK-Rebellen, die für eine Kurden-Autonomie kämpfen, vor.