Nobelpreisträger Südhof will Kompetenz von Synapsen aufklären
Wien/Klosterneuburg (APA) - Nachdem er Transportmechanismen in Nervenzellen aufgeklärt hat, will Medizin-Nobelpreisträger Thomas Südhof die ...
Wien/Klosterneuburg (APA) - Nachdem er Transportmechanismen in Nervenzellen aufgeklärt hat, will Medizin-Nobelpreisträger Thomas Südhof die Kompetenz von Synapsen erforschen. Er wolle „verstehen, welche Moleküle fundamentale Prozesse in der Synapsenbildung und -spezifizierung steuern und wie sie das tun“, so Südhof im APA-Gespräch. Dazu zähle die Bestimmung, welche Plastizität eine Synapse hat, „wozu sie kompetent ist“.
Der 60-jährige gebürtige Deutsche, der am Department of Molecular and Cellular Physiology an der Universität Stanford arbeitet, hält heute, Mittwoch, Abend am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg (NÖ) einen Vortrag. Seine aktuelle Forschung unterscheidet sich seiner Aussage nach doch sehr von jener, für die er 2013 gemeinsam mit James E. Rothman und Randy W. Schekman (beide USA) den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten hat.
Die Auszeichnung wurde dem Neurowissenschafter für die Entdeckung verliehen, dass in Nervenzellen die Freisetzung von Neurotransmittern erfolgt, indem Vesikel (kleine Bläschen) an die Membran der Nervenzelle andocken und mit ihr fusionieren. Das ist von einem zuvor erfolgten Einstrom von Kalzium-Ionen bedingt. Damit war neben der örtlichen auch die zeitliche Koordination solcher Stoffwechselvorgänge geklärt.
Nun widmet er sich unter anderem der Plastizität von Synapsen oder Nervenzellen, also ihrer Fähigkeit, sich zur Optimierung laufender Prozesse in ihrer Anatomie und Funktion zu verändern. Dies sei extrem wichtig für das Verstehen von neuronalen Schaltkreisen: „Was man sich darunter vorstellen muss, ist, dass eine Synapse sich verändert als Funktion ihrer Erfahrung. Jede Synapse ist anders, ist ein Computer, der sich in Kurzzeit und Langzeit verändert. Diese Prozesse verstehen wir überhaupt nicht. Die Typen von Plastizität sind nicht vorhersehbar. Wie sie molekular bestimmt werden, weiß kein Mensch. Daran arbeiten wir.“
Noch mit am besten untersucht ist die Langzeitplastizität (LTP). „Das bedeutet, dass die Synapse in Langzeit, über Stunden, Tage oder sogar Wochen ihre Stärke verändert. Kurz- und Langzeitplastizität überlagern sich, sie können beide gleichzeitig passieren. Nach bestimmten Erregungsprozessen kann eine Synapse plötzlich sehr viel stärker oder schwächer werden als sie vorher war, und zwar auf Dauer“, erklärte Südhof.
Eine zentrale Rolle im Verständnis der Funktionsweise von Synapsen kommt den Neurexinen zu. Entdeckt wurden diese Proteine 1992 als Rezeptoren für Alpha-Latrotoxin, dem Hauptbestandteil des von Schwarzen Witwen produzierten Nervengifts. Obwohl diese Rolle eher ein „Unfall“ sei, denn dafür seien sie ja nicht konzipiert, wurden die Neurexine für die Forschung zum Glücksfall. „Wir entdeckten, dass die Neurexine entscheidend für die Verbindung zwischen prä- und postsynaptischen Zellen während der Synapsenbildung sind und auch später, dass sie also eine Schlüsselfunktion in der transsynaptischen Kommunikation haben“, erklärte Südhof. Es stellte sich heraus, dass diese Neurexine dafür verantwortlich sind, „wie eine Synapse sich letztendlich entwickelt, welche Eigenschaften sie hat und wie sie sich darstellt“.
Verantwortlich für Neurexine im Menschen sind drei Gene. „Das Neurexin-1-Gen ist relativ häufig mutiert, weil es sehr groß ist. Wir vermuten und haben das auch gezeigt, dass Mutationen in diesem Gen zu einer Veränderung der synaptischen Erregungsübertragung führen. Ich glaube, dass wir gute Beweise dafür haben, dass diese Veränderung für Schizophrenie verantwortlich ist“, so Südhof.
Ebenso klar sei aber auch, dass Krankheiten wie Autismus und Schizophrenie nicht nur einfach als synaptische Defekte erklärt werden könnten, sondern auch die Umwelt und persönliche Geschichte des Menschen oder andere Prozesse im Nervensystem eine Rolle spielen: „Bei den wichtigsten neuropsychiatrischen Erkrankungen ist das Verhältnis zwischen Gen und Krankheit nicht linear. Das ist ganz wichtig zum Verständnis dieser Krankheiten und zu möglichen Therapien.“