Internationale Pressestimmen zum russischen Teilabzug aus Syrien

Damaskus (APA/dpa) - Die Zeitungen schrieben am Mittwoch zum russischen Teilabzug aus Syrien:...

Damaskus (APA/dpa) - Die Zeitungen schrieben am Mittwoch zum russischen Teilabzug aus Syrien:

„Dernieres Nouvelles d‘Alsace“ (Straßburg):

„Russland wird nicht am Tisch der Verhandlungen in Genf sitzen, aber man wird nur Russland sehen. Denn mehr denn je ist es Russland, das das Tempo diktiert, über Phasen der Beruhigung und Spannungspunkte entscheidet und auch die Kräfteverhältnisse diktiert. In den vergangenen vier Monaten ist das sterbende Regime von Bashar al-Assad wieder in den Sattel gehoben worden, und niemand rechnet mehr ernsthaft mit seinem Abgang. Die Opposition ist überrollt und das sogenannte nützliche Syrien (Assads Regime) quasi unantastbar gemacht worden. Und vor allem, vor allem, hat sich die (Russische) Föderation spektakulär aufgewertet, nachdem sie wegen der Annexion der Krim aus der internationalen Gemeinschaft verstoßen worden war.“

„(Russlands Staatschef Wladimir) Putin ist wieder frequentierbar und zugleich ein unumgänglicher Akteur im Nahen Osten geworden. Er hat seine kaukasischen Kämpfermuskeln nur so stark spielen lassen wie er musste, um den Westen - und vor allem die USA - zu beeindrucken. Jetzt gibt er das Terrain nicht auf; er vermeidet lediglich, sich in dem Konflikt festzufahren. Das war die letzte Falle, die er vermeiden musste.“

„Dennik N“ (Bratislava):

„Putin hat praktisch nichts im Kampf gegen den ‚Islamischen Staat‘ erreicht. Der ist noch lange nicht besiegt, und wenn er sich jetzt in Defensive befindet, dann haben das nicht die Russen erreicht. Putins Armee hat mehr gegen die syrische Opposition als gegen den IS gekämpft. Wenn Putin jetzt den Rückzug damit begründet, dass der Einsatz sein Ziel erreicht habe, gibt er eigentlich zu, dass das Ziel nie der Kampf gegen den IS war.“

„Sme“ (Bratislava):

„Putins Entscheidung zum Rückzug aus Syrien hat eine klare Logik. Und trotzdem bleibt das Problem: Wenn Nachrichten aus Russland zu gut klingen, um wahr zu sein, dann ist an diesem Verdacht meist wirklich etwas dran. In der Ukraine gab es russische Soldaten, die dort offiziell nie waren. In Syrien könnte zum Schluss eine Armee sein, die offiziell schon nach Hause geschickt wurde.“

„Lidove noviny“ (Prag):

„Russland hat mehr aus seinen Fehlern gelernt als der Westen. Es hat allen gezeigt, wie man einen Verbündeten wirksam unterstützt, ohne so sehr in das syrische Kampffeld verstrickt zu werden, dass man nicht mehr herauskommt. Syrien wird für Russland nicht zu einem zweiten Afghanistan. Viele Menschen werden zu Recht einwenden, dass Russland auf der falschen Seite des Konflikts eingeschritten ist. Es habe zum Problem des Verbleibs Assads beigetragen, nicht zur Lösung. Doch der Sturz der Diktatoren im Irak, in Ägypten und in Libyen hat allen Reden über Freiheit und Frieden zum Trotz nur zu weiterem Blutvergießen geführt. Gibt es einen einzigen glaubwürdigen Hinweis, dass das in Syrien anders ausgehen würde?“

„Tages-Anzeiger“ (Zürich):

„Natürlich ist es für Syrien ein Fortschritt, wenn der russische Luftkampf auf Dauer eingestellt wird, der laut Menschenrechtlern Hunderte Zivilisten das Leben gekostet und Zehntausende in die Flucht getrieben hat. Und es ist sicher auch ein wichtiges Signal nach Genf, dass der Konflikt endlich am Verhandlungstisch angegangen werden muss. Allerdings können neue russische Überraschungscoups nicht ausgeschlossen werden. Noch ist unklar, wie viele Angriffe Moskau in Zukunft fliegen wird und gegen wen, denn es werden nicht die ganzen russischen Streitkräfte abgezogen. Und schliesslich können Moskaus Kampfjets genauso schnell wieder zurück sein, wie sie das Land jetzt verlassen, sollten die Verhandlungen eine unerwünschte Wende nehmen, die Kämpfe wieder aufflammen und Assad in Bedrängnis geraten.“

„Wedomosti“ (Moskau):

„Die Entscheidung Wladimir Putins, einen Teil der russischen Truppen aus Syrien abzuziehen, kam so unerwartet wie die Entscheidung zu ihrem Einsatz. Es scheint, dass Moskau seine Aufgabe mit dem Austritt aus der internationalen Isolation als erfüllt ansieht. Genau das war die Hauptaufgabe im Syrien-Einsatz - und nicht etwa der Sieg über den Terror. Das Problem besteht darin, dass dieser Austritt aus der Isolation begrenzt zu bleiben droht. An den Sanktionen wegen der Annexion der Krim bewegt sich nichts.“

„Komsomolskaja Prawda“ (Moskau):

„Allen ist klar, dass gerade unser Land den Zerfall Syriens nach libyschem Szenario und das Entstehen eines terroristischen Staates mit der Hauptstadt Damaskus abgewendet hat. (...) Wir sind im kritischsten Augenblick gekommen und haben Syrien vom Rand des Abgrunds weggeführt. Der Westen hat uns ständig gesagt: Ihr bombardiert die Falschen, ihr kämpft nicht mit den Richtigen. Er hat uns jeden Tag gebeten: Geht! Kurzum, wir sind natürlich geblieben, aber nun gehen wir. Zu unseren eigenen Bedingungen.“

„24 Tschassa“ (Sofia):

„Alle sehen Russlands Entscheidung (...) als eine Überraschung. Doch wenn man die Details der vergangenen Tagen und Wochen betrachtet, wird man sehen, dass der (Teil)Abzug gut begründet und politisch motiviert ist. Dabei geht es um den Willen Russlands, gemäßigter und zentristischer zu erscheinen, und nicht der Anführer einer Koalition zu sein, die zurzeit in den Krieg verwickelt ist. (.) Russlands (Teil)Abzug zeigt, dass die Entwicklung (in Syrien) in Richtung einer politischen Regelung gehen sollte, bei der Russland nicht nur als eine große Militärmacht sondern auch als ein politischer Vermittler auftritt - als ein Staat, der Frieden schafft.“

„La Repubblica“ (Rom):

„Die Entscheidung Wladimir Putins, einen Großteil der russischen Truppen aus Syrien abzuziehen, lässt eine erste Interpretation zu. Es bedeutet, dass der Konflikt weniger Engagement benötigt. Putin selbst hält - wie er erklärt hat - die Ergebnisse des Einsatzes im Nahen Osten für so positiv, dass er die militärische Präsenz verringern kann. Die Waffenruhe in Syrien wird größtenteils respektiert, und in Genf sollen neue Verhandlungen beginnen. Die Entscheidung des Kremls gibt den Verhandlungen einen Ruck. Es ist ein Signal der Entspannung, das vor allem nicht zu verbindlich ist. Es handelt sich nur um einen Teil-Rückzug und die russischen Kräfte könnten schnell zurückkehren. Außerdem werden aus den Worten von Putin nicht immer konkrete Taten, sie lassen meist einen Zweifel zurück.“

„El Mundo“ (Madrid):

„Mit diesem taktischen Zug will (der russische Präsident Wladimir) Putin zweifellos eine stärkere Rolle bei der neuen Runde der Friedensgespräche in Genf spielen (...) Moskau scheint entschlossen, sich diesmal einer gemeinsamen Strategie mit den westlichen Mächten anzuschließen - insbesondere mit den USA. Man darf nur nicht übersehen, dass Putin seinem Verbündeten Bashar al-Assad im September militärisch zu Hilfe geeilt ist, als dieser in einer praktisch aussichtslosen Lage war. Und dass der Kreml den Teilabzug erst angeordnet hat, nachdem das Regime in Damaskus sich erholt und einige strategische Zonen des Landes wieder unter seine Kontrolle gebracht hatte. Russland hat es also geschafft, dass bei den Gesprächen in der Schweiz die deutlich stärkere Position von Assad berücksichtigt werden muss, die auch die Oppositionellen anerkennen müssen.“