Literatur

Gefangen in einer Hölle aus Hochprozentigem

© Dennis Dirksen

Schonungslos und ungeschönt: In „Der goldene Handschuh“ erzählt Heinz Strunk die Geschichte des deutschen Frauenmörders Fritz Honka.

Innsbruck –Wer ganz unten ist, säuft „Fako“. „Fako“ lässt sich nicht romantisieren. „Fako“ ist Fusel gewordene Verwahrlosung. Fanta eins zu eins gemischt mit Korn. Die Kunst, heißt es an einer Stelle in Heinz Strunks Roman „Der goldene Handschuh“, sei es, die Zutaten so zusammenzuschütten, dass sie sich nicht zu sehr vermischen: Korn mit Fanta-Krönchen. Ganz so, als mache es das Delirium bedeutsamer. Dabei ändert es nichts. Unten bleibt unten. Auch ein überraschend daherkommender Job ändert wenig. Fiete, der Protagonist von Strunks Roman, wird Nachtwächter – und will sich zusammenreißen. Aber da ist es eigentlich schon zu spät. Diesen Fiete übrigens hat es wirklich gegeben: Fritz Honka, (1938–1998) war ein Mörder. Vier Frauen hat er zwischen 1970 und 1975 in Hamburg umgebracht. Frauen ohne festen Wohnsitz. Nicht die Polizei kam Honka auf die Spur, der Zufall stellte ihn. Nach einem Brand wurden Leichenteile gefunden. Er hatte seine Opfer hinter einer Wand versteckt. Duftbäumchen sollten die Nachbarn ablenken. Keine der Frauen wurde vor ihrem Tod als vermisst gemeldet – wie ihr Mörder waren sie der Gesellschaft bereits zu Lebzeiten abhandengekommen, verschwunden in einer Hölle aus Hochprozentigem, in Reeperbahn-Kaschemmen wie dem „Goldenen Handschuh“, der seit seiner Eröffnung 1962 rund um die Uhr geöffnet hat. Dort hat Honka seine Opfer aufgegabelt. Missbraucht, getötet und stümperhaft entsorgt hat er sie in seiner Wohnung.

Nach seiner Verhaftung beschrieb der Boulevard Honka als Monster. Strunk, dem für sein Buch die bisher verschlossenen Ermittlungs-Akten im Hamburger Staatsarchiv zur Verfügung standen, entwirft das Bild eines hoffnungslosen Falls: ein beschädigter Geist in entstelltem Körper. Entschuldigen will Strunk Honkas Taten freilich nicht – in bisweilen verstörend detaillierter erlebter Rede macht er aber deren Bedingungen anschaulich. Schonungslos und ungeschönt wird in „Der goldene Handschuh“ ein Terrain bearbeitet, das in der deutschen Literatur seit Hubert Fichte und Jörg Fauser kaum Beachtung fand. Strunk blickt auf den Rand der Gesellschaft. Dort finden sich zwar kaum Figuren, die zur Identifikation einladen, aber Geschichten, die auch erzählt werden müssen. Schon allein dafür hätte Heinz Strunk einen Preis verdient. (jole)

Roman Heinz Strunk: Der goldene Handschuh. Rowohlt, 250 Seiten, 20.60 Euro.