„Ich habe immer gesungen!“: Marie-Therese Escribano wird 90

Wien (APA) - „Das Singen war der rote Faden in meinem Leben - ich habe immer gesungen!“, sagt die in Paris geborene und in Madrid aufgewachs...

Wien (APA) - „Das Singen war der rote Faden in meinem Leben - ich habe immer gesungen!“, sagt die in Paris geborene und in Madrid aufgewachsene Sängerin Marie-Therese Escribano im Interview mit der APA. Am Samstag (19.3.) feiert die vielseitige Bühnenkünstlerin ihren 90. Geburtstag und kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Sie steht noch immer auf der Bühne. Ihr neues Programm heißt „90:90“.

Im Gespräch wie auf der Bühne weiß Escribano mit Spontaneität und Lebendigkeit immer noch zu unterhalten. Erst im Februar war ihr Programm „Kommt mir spanisch vor“ im Wiener Theater Drachengasse zu sehen. Dort wird sie auch am 4. April „90:90“ präsentieren. Innerhalb von 90 Minuten sollen historische Ereignisse im Bezug zum 90-jährigen Leben der Ausnahmekünstlerin abgehandelt werden - wieder mit viel Humor und Musik. Dennoch will sie nicht mehr als Kabarettistin bezeichnet werden: „Heutzutage lernen einige Kabarettisten die Texte von jemand anderem auswendig und sind eigentlich Rezitatoren. Ich bin stolz auf meine Programme, denn es sind immer meine eigenen Texte, und ich mache selber Musik dazu. Somit kann man es nicht mehr Kabarett nennen - also nenne ich es ‚kleine Stücke‘.“

Neben Bühnenauftritten gibt die ausgebildete Sängerin weiterhin Workshops sowie Sing- und Sprachunterricht. „Ohne die Bühne ist es für mich anstrengend“, ist ihre Antwort auf die Frage, ob ihr das nicht in ihrem Alter alles zu mühsam wäre. „Altsein ist ein Stigma und beinhaltet jede Menge Vorurteile“, ergänzt Escribano. Es gäbe im Allgemeinen „viele Vorurteile zum Altsein oder Frausein, und die habe ich in meinen Programmen bearbeitet“.

„In der Frauenbewegung habe ich mich stark engagiert. Das hat mir sehr viel gebracht, weil ich dadurch viel Neues entdeckt habe“, erzählt die Künstlerin. „Wir haben viel gekämpft, und es ist auch viel passiert, aber die Fortschritte, die wir gemacht haben, sind heute selbstverständlich geworden.“ Die vielen Flüchtlinge aus muslimisch geprägten Ländern, die momentan nach Europa kommen, sind für Escribano in erster Konsequenz keine Gefahr für die Erfolge der Frauenbewegung, sondern „eine Herausforderung, aber letztendlich eine Bereicherung. Wie ich 1955 nach Wien gekommen bin, gab es ganz verschiedene Nationalitäten und noch keine große Ausländerfeindlichkeit - das hat mir gut gefallen.“

Bevor sie nach Österreich kam, studierte sie zuerst an der Musikhochschule in Madrid und anschließend in Brüssel. Dort hörte sie ein Gastspiel des damaligen Ensembles der Wiener Staatsoper, u.a. bestehend aus Elisabeth Schwarzkopf, Irmgard Seefried und Anton Dermota: „Ich habe diese berühmten Sänger gehört und war fasziniert. Ich habe mir gedacht, das ist genau das, was ich lernen will, und nachdem meine Mutter gestorben ist, bin ich nach Wien gegangen.“ Daraufhin wurde sie in der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien aufgenommen und entdeckte ihre Vorliebe für moderne avantgardistische Musik. 1959 sang sie im Ensemble „die reihe“ rund um den Österreichischen Komponisten und Dirigenten Friedrich Cerha die „Improvisations sur Mallarmé“ von Pierre Boulez im Konzerthaus und konnte überzeugen. „Das konservative Publikum hat mich damals wegen meines stimmlichen Könnens akzeptiert. Ich habe dann sehr gute Kritiken bekommen“, erinnert sich Escribano.

Einige Jahre später traf sie auf Klaus und Michel Walter, die sich mit Alter Musik beschäftigten. Als die Beiden der Sängerin mittelalterliche Instrumente vorführten, war sie sofort begeistert. Zusammen gründeten sie das Ensemble „Les Menestrels“. Mitte der 70er stellte Escribano wiederum ihre Vielschichtigkeit unter Beweis und wechselte ins Theatermilieu. Seitdem hat sie zahlreiche Programme auf die Bühne gebracht - von „Umso älter desto ich“ bis zu „Ich bin ein Vorbild“. Die Spontaneität steht dabei für sie im Vordergrund: „Viele sagen, dass sie gerade die Spontaneität an mir mögen, andere fürchten sich genau davor.“

Für ihren Sing- sowie Sprachunterricht hat sie den Begriff „Stimmbefreiung“ geprägt: „Das Wichtigste beim Singen ist die Natürlichkeit, dass man sich befreit von allen Zwängen.“ Damit möchte sie sich von dem Begriff der „Stimmbildung“ distanzieren, der für sie zu sehr nach einer „Dressur“ der Stimme klingt. Befreiung statt Einengung - ein Motto, mit dem sich auch das Leben von Marie-Therese Escribano beschreiben ließe.

(S E R V I C E - „90:90“ von und mit Marie-Therese Escribano, Bar&Co, Theater Drachengasse, Wien 1, Fleischmarkt 22, 4.4. 19 Uhr, Karten: 01 / 513 14 44, www.drachengasse.at)