WIIW - Osteuropas Wachstum hängt weiter an den Geldflüssen der EU
Wien (APA) - Das BIP Mittel-, Ost- und Südosteuropas wird bis 2018 moderat wachsen. Die Prognosen gehen von jährlich durchschnittlich 3 Proz...
Wien (APA) - Das BIP Mittel-, Ost- und Südosteuropas wird bis 2018 moderat wachsen. Die Prognosen gehen von jährlich durchschnittlich 3 Prozent aus. Zwar ist das deutlich weniger als vor 2008. Aber das Wachstum der Vergangenheit war zum Teil den Geldtransfers aus den EU-Strukturfonds geschuldet. Aktuell kurbelt die niedrige Inflation der neuen EU-Länder den Privatkonsum an und lässt die Wirtschaft florieren.
In einigen EU-Mitgliedsländern der Region hat dies sogar zu einem Arbeitskräftemangel geführt, etwa in der Baubranche oder im Tourismus. In der Folge seien die Reallöhne gestiegen, konstatieren die Experten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) am Donnerstag in Wien.
Die Verlierer in der aktuellen Konjunkturprognose bis zum Jahr 2018 sind Russland und die Ukraine. Beide Länder stecken tief in der Rezession. Eine Erholung erwarten die Experten des WIIW frühestens für 2017. Die Sanktionen und die niedrigen Rohölpreise (Russland), aber auch fehlende Strukturreformen (Ukraine) werden als Verursacher der Krise genannt. Das trifft auch die über den Außenhandel mit Russland eng verflochtenen Länder Estland und Finnland empfindlich.
Abgesehen von den GUS-Staaten hätten die Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas sowohl die Talsohle als auch den Höchststand beim BIP-Wachstum im Jahr 2015 durchschritten. In den kommenden drei Jahren rechnet das WIIW mit einem soliden, wenn auch nicht übermäßig hohen Wachstum für Mittel- und Osteuropa. Gleiches gelte für den Westbalkan, trotz politischer Spannungen.
Diese positive Prognose basiere unter anderem auf den gestiegenen Ausgaben privater Haushalte. Auch das Investitionsklima für Private habe sich verbessert. Kredite würden günstiger und die Verschuldung der Länder sinke. Ausländische Direktinvestitionen würden wieder zaghaft zu fließen beginnen, nachdem sie jahrelang rückläufig gewesen waren. Die Investitionen hätten auch Albanien (Pipeline-Projekt) und den Kosovo (Skiresort) erreicht.
Aber die meisten Länder Mittel- und Osteuropas, allen voran Ungarn, seien weiterhin sehr stark abhängig von EU-Transferzahlungen, berichtet der WIIW-Experte Gabor Hunya. Während die Gelder aus den Strukturfonds zyklisch bedingt zurückgingen, hätten es die neuen EU-Länder nicht ausreichend geschafft, Gelder von den EU-Investitionsfonds abzuschöpfen. So hätten von elf Ländern nur sechs Projektfinanzierungen erhalten.
Insgesamt sei die künftige Entwicklung im Osten eng an die Wirtschaftsleistung der „alten EU-Länder“ gekoppelt. Wenn der EU-Motor anspringe, hätten die Länder steigende Chancen auf Neuinvestitionen. Aus heutiger Sicht bestehen dafür aber wenig Chancen, glaubt der Experte.
Ein weiteres heikles Thema ist die Migration nach Osteuropa. Die EU-Länder im Osten, allen voran Ungarn und die Visegrad-Staaten, weigern sich standhaft, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufzunehmen. Genau diese fehlende Migration könnte den Osteuropäern aber auf den Kopf fallen, glaubt Michael Landesmann, wissenschaftlicher Leiter des WIIW. In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren werde dieser Umstand das Wachstum der Länder negativ beeinflussen, wie Landesmann am Rande der Pressekonferenz gegenüber der APA erläuterte.
Das heißt nicht, dass es keine Form der Migration nach Osteuropa gibt. Aktuell haben die neuen EU-Länder tausende Zuwanderer aus der Ukraine aufgenommen, vor allem Polen und die Slowakei. Aber bei der aktuellen Fluchtbewegung von außerhalb Europas und der Frage der Umverteilung innerhalb der EU ziehen die Osteuropäer nicht am selben Strang.
Osteuropa verfolge eine andere Politik, so Gabor Hunya. Allgemein würden Migranten aus Nicht-EU-Staaten negativ gesehen. Das könnte in Folge zu einer „anderen Wirtschaftsausrichtung“ führen. Das Risiko sei das Fehlen von Zuwächsen bei der Wirtschaft. „In zehn Jahren werden wir sehen, wer recht hat“, so Hunya.
( 0310-16, 88 x 160 mm)
~ ISIN WEB http://www.wiiw.ac.at/ ~ APA400 2016-03-17/14:08