Rousseffs letzter Trumpf heißt Lula

Brasilia (APA/dpa) - Das Wort von Fernando Henrique Cardoso hat Gewicht in Brasilien. „FHC“ war Staatspräsident, bevor die linksgerichtete A...

Brasilia (APA/dpa) - Das Wort von Fernando Henrique Cardoso hat Gewicht in Brasilien. „FHC“ war Staatspräsident, bevor die linksgerichtete Arbeiterpartei 2003 die Macht erobern konnte. Sein Urteil über die jüngste Volte im Politkrimi ist vernichtend. „Die Gesellschaft wird energisch protestieren. Denn es ist ein Skandal, eine Person in dem Moment zum Minister zu machen, in der dieser ein Strafprozess droht.“

Das werde die „moralische Krise“ noch weiter verschärfen, prophezeit Cardoso nach Angaben des Portals „O Globo“. Denn Staatspräsidentin Dilma Rousseff hat ihren einst als linken Star gefeierten Vorgänger Luiz Inacio Lula da Silva zum wichtigsten Minister ihrer Regierung gemacht - so entgeht er womöglich einem Korruptionsprozess und Haft.

Wenig später kommt es in mehreren Städten zu heftigen Protesten, Demonstranten schlagen wütend auf Kochtöpfe ein und rufen „Dilma raus, Lula raus“. Und im Abgeordnetenhaus kommt es zu tumultartigen Szenen. Kurz vor den Olympischen Spielen in Rio wird ein politisches Drama aufgeführt.

In den Hauptrollen: Eine Präsidentin mit dem Rücken zur Wand - es ist völlig offen, ob sie die Spiele am 5. August noch eröffnen wird. Und ein Vorgänger, bei dem die Polizei klingelt, ihn zum Verhör mitnimmt. Gegen den die Staatsanwaltschaft Sao Paulo U-Haft beantragt hat, weil sie glaubt, dass sich Lula von einem Baukonzern schmieren ließ. Er bestreitet, dass er sich bei einem Luxusapartment begünstigen ließ.

In der Rolle des Gegenspielers ist der auf Demonstrationen als Held gefeierte Richter Sergio Moro - er führt von Curitiba aus knallhart die Ermittlungen im größten Korruptionsskandal der Geschichte, der Operation „Lava Jato“ („Autowäsche“). Mindestens 57 Politiker sollen in Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras etwa für dem Bau von Raffinerien verwickelt sein. Von der Arbeiterpartei bis zu führenden Oppositionspolitikern.

Moro geht ohne Rücksicht auf Namen vor. Als er die Entscheidung über das Ansinnen der Staatsanwaltschaft im Fall Lula übertragen bekam, ging alles ganz schnell. Einen Tag später wurde Lula zum Minister ausgerufen - er wird Chef der Casa Civil, die die Regierungsgeschäfte steuert. Der Posten ist vergleichbar mit dem eines Kabinettschefs.

Dank des Ministerpostens entkommt er den Fängen Moros. Für seinen Fall ist nun ausschließlich der Oberste Gerichtshof zuständig. Die Hoffnung ist, dass der ihn sanfter behandelt. Pikant: Mit Erlaubnis Moros wurde am Mittwoch noch ein kurzes Gespräch zwischen Lula und Rousseff abgehört - und der Inhalt Medien zugespielt - sie verspricht ihm, rasch die Ernennungsunterlagen zuzuschicken, er solle sie falls nötig vorlegen. Etwa wenn Ermittler noch kurzfristig aufkreuzen?

Vordergründig will Rousseff mit Lula ihr Amt retten - der Rückhalt auch ihrer Arbeiterpartei bröckelt massiv, Lula ist hier noch bestens vernetzt. Und er will vor allem der Wirtschaft neue Impulse geben, um den rasanten Absturz zu bremsen und vielleicht die Stimmung zu drehen. Um satte 3,8 Prozent ist die Wirtschaftsleistung 2015 eingebrochen.

Doch Geld für Konjunkturpakete ist eigentlich keines da. Er, den US-Präsident Barack Obama 2009 als „populärsten Politiker der Welt“ bezeichnete, der den Armen mit üppigen Sozialprogrammen neue Würde verlieh und in dessen Amtszeit vom „Boomland Brasilien“, vom „grünen Wunder“ die Rede war, ist auch nicht mehr der Star, der er mal war.

Sondern ein 70 Jahre alter Mann, der gegen die Justiz kämpft. Die Frage ist, was er bewegen kann. Rousseff bekommt notwendige Reformen kaum noch im Parlament durch. Einige besser betuchte Bürger sehnen sich schon nach einem Eingreifen des Militärs, während Lula im Verhör bei der Polizei trotzig ankündigte, es den Gegnern zeigen zu wollen. „Ich bin ein alter Mann und wollte mich eigentlich zur Ruhe setzen“, sagte er. Nun werde er sogar 2018 noch einmal als Präsident kandidieren.