Bühne

Der Weg zur Liebe ist kein Spaziergang

© Anne Van Aerschot

Kitschfreies Plädoyer für die Liebe: Anne Teresa De Keersmaekers Tanzstück „Verklärte Nacht“ berührt durch das Zusammenspiel von Nähe und Distanz.

Von Christiane Fasching

Innsbruck –Eigenartig. Auch in Momenten der Stille ist’s nicht gänzlich leise. Bevor am Samstagabend im Congress also Arnold Schönbergs Komposition „Verklärte Nacht“ erklingt, hört man zunächst das Knacken der Klimaanlage, das Geruckle des Nebenmanns und das Atmen der Rosas-Tänzer. Die Kompanie von Anne Teresa De Keersmaeker steht für zeitgenössischen Tanz in Reinkultur – beim Osterfestival, das heuer dem unerschöpflichen Thema „Liebe“ nachforscht, präsentierten nun drei Rosas-Abgesandte eine Keersmaeker-Choreographie, die auf eine 20-jährige Geschichte zurückblickt. Schon anno 1995 ging die Uraufführung von „Verklärte Nacht“ über die Bühne: Sechs Paare gaben damals der auf Richard Dehmels gleichnamigem Gedicht basierenden Liebesgeschichte ein Gesicht, das von Schönbergs bewegenden Klängen umrahmt wurde. 2014 wagte sich Keersmaeker dann an eine Neuauflage, die bei der Ruhrtriennale uraufgeführt wurde – mit gänzlich reduziertem Profil.

Statt sechs Paaren steht nun nur noch eines auf der Bühne, die vermeintlich idyllische Zweisamkeit durchkreuzt anfänglich allerdings noch ein dritter Mann, der rasch wieder verschwindet – zumindest fast. Ein Teil von ihm bleibt nämlich. Das Tête-à-Tête hatte Folgen, die Frau ist guter Hoffnung und hoffnungslos verzweifelt: Wie wird ihr Partner auf ihr Geheimnis reagieren? Kann er sie noch lieben, obwohl sie das Kind eines anderen unterm Herzen trägt? Er kann. Und er tut’s. Dank Keers­maekers schnörkelloser Tanzsprache driftet die Liebesgeschichte dabei nicht in die pathetische Kitschfalle ab: Bostjan Antoncic und Cynthia Loemij, die in Innsbruck für die verletzte Samantha van Wissen einsprang, changieren in ihrem Pas de Deux ausdrucksstark zwischen Nähe und Distanz. Im Dunkeln der karg gehaltenen und in tiefes Schwarz getunkten Bühne finden sie in einem schmalen Lichtstreifen zueinander – in Bewegungen, die Wärme ausstrahlen und ein Gefühl von Glück vermitteln. Im Kontrast dazu steht Loemijs initialer Tanz mit Nordine Benchorf, der von einer sexuellen Spannung getragen wird, in der augenscheinlich kein Platz für Romantik bleibt – hier dominieren Härte und Kälte, Liebe sieht anders aus.

Knapp 50 Minuten dauert der bewegende Einblick in die Keersmaekersche Tanzwelt, die in völligem Einklang mit Schönbergs bewegendem Klanguniversum steht: Das Osterfestival-Publikum quittierte den Abend mit großem Applaus. Und ging verklärt in die Frühlingsnacht.

Für Sie im Bezirk Innsbruck unterwegs:

Verena Langegger

Verena Langegger

+4350403 2162

Michael Domanig

Michael Domanig

+4350403 2561

Renate Perktold

Renate Perktold

+4350403 3302

Verwandte Themen