Bühne

Schöne Bilder, wenig Deutung

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Flaues Eifersuchtsdrama in kalten Räumen: Regisseur Vincent Boussard wagt sich bei den Salzburger Osterfestspielen an Giuseppe Verdis „Otello“.

Von Jörn Florian Fuchs

Salzburg –Mit einem Schleier fängt alles an. Dieser erfüllt fast die ganze Bühne des Großen Festspielhauses. Elegant hüllt er die im Sturm vor Zypern ums Überleben kämpfende venezianische Flotte ein, hierbei handelt es sich um den Sächsischen Staatsopernchor, der seine Sache grundsolide macht. Fein und ästhetisch wirkt das, dekorative, aber durchaus geschmackvolle Videoprojektionen sorgen für schöne Atmosphären. Regisseur Vincent Boussard, Bühnenbildner Vincent Lemaire und Kostümbildner Christian Lacroix haben sich Verdis „Otello“ vorgenommen und liefern das ab, was man von ihnen erwartet: schöne Bilder, wenig Deutung. Wobei sich Modeschöpfer Lacroix bei der Kostümierung der Hauptakteure diesmal eher zurückhält und auf Schlichtes setzt, dafür erscheint der Chor in immer neuen, aufwändigen Kleidern. Otello ist übrigens ungeschminkt, also weiß.

Nun war eine psychologische Personenführung noch nie die Stärke Vincent Boussards und was bei barockem Spektakel oder französischem Ausstattungstheater funktionieren mag, geht bei einem vorwärts hetzenden Kraft- und Seelenstück wie dem „Otello“ leider ziemlich schief. Zwischen den Figuren passiert wenig, man glaubt ihnen einfach nicht, was sie da singen. Rasch erschöpfen sich zudem die hübschen Bilder. Da wird sich auf einem mit Kerzen bestückten Bankett geräkelt, Türen leuchten bedeutungsvoll, einmal fällt sogar eine riesige Wand geräuschlos um. Höhepunkt der Emotionalität: Otello gerät in Wut und wirft dabei seine Jacke grimmig zu Boden. Häufig turnt ein schwarzflügeliger Engel herum, als die Sache langsam eskaliert, fängt er Feuer – der Gestank sorgt für Hustenattacken im Rang des Großen Festspielhauses. Das ist alles in allem arg wenig und wurde vom Publikum mit höflichem Applaus, aber auch einigen Buhs gewürdigt.

Viel problematischer als die Szene ist allerdings das, was Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle anstellt. Thielemann reiht konzeptlos Idee an Idee, jagt von einem Moment zum anderen, rast wütend durch den ersten und zweiten Akt, um den dritten und vor allem vierten Akt völlig grundlos zu verschleppen. Ein Verdi ohne Esprit und Italianità, mal werden die Sänger überdröhnt, mal wirkt ihre Begleitung zu dezent. Über diese merkwürdige Nicht-Interpretation mag man vielleicht noch streiten, unstrittig ist jedoch das mangelnde technische Niveau an diesem Abend. Es geht immer wieder bunt durcheinander, so als ob noch geprobt würde. Das geht bei solchen Eintrittspreisen wirklich nicht! Am schlimmsten sind allerdings die Sänger. Ja, es gab krankheitsbedingt zwei Umbesetzungen. Fehlte die Zeit für einen würdigen Ersatz? José Curas Otello klingt konstant angestrengt und monochrom, Carlos Álvarez’ Iago wirkt müde, Álvarez singt die Partie aber immerhin technisch korrekt. Dorothea Röschmann ist eine unangenehm schrill timbrierte Desdemona. Lediglich Georg Zeppenfeld als Lodovico und Benjamin Bernheim als Cassio überzeugen. Triste, si triste!