Lufthansa ein Jahr nach Germanwings-Absturz mit Rekordgewinn

Frankfurt/Schwechat (APA/Reuters) - Lufthansa-Chef Carsten Spohr absolviert einen der größten Drahtseilakte seiner Karriere: Fast genau ein ...

Frankfurt/Schwechat (APA/Reuters) - Lufthansa-Chef Carsten Spohr absolviert einen der größten Drahtseilakte seiner Karriere: Fast genau ein Jahr nach dem Absturz eines Flugzeugs der Tochter-Airline Germanwings mit 150 Toten stellt er den höchsten Gewinn in der Unternehmens-Geschichte vor. „2015 war ein trauriges Jahr, ein Jahr der Extreme“, sagte der Topmanager am Donnerstag in Frankfurt.

Beides zusammen zu verarbeiten - den Crash in den Alpen und ein Konzernergebnis von 1,8 Mrd. Euro in einem Jahr - falle ihm nicht leicht. „Ein Jahr, in dem 150 Menschen starben, kann für mich kein Rekordjahr sein.“

Der ansonsten so umgängliche Spohr war sichtlich bemüht, die Balance zwischen dem Horror-Absturz und den glänzenden Wirtschaftszahlen des AUA-Mutterkonzerns zu halten. Nicht leichter machte es ihm die Tatsache, dass sich die Katastrophe nächsten Donnerstag zum ersten Mal jährt. Dazu würden rund 800 Angehörige der Opfer in die Nähe des Absturzortes in die französischen Alpen geflogen, sagte ein Konzernsprecher. Die Airline setze drei Flugzeuge ein. „Wir haben alles getan, um die Folgen für die Angehörigen abzumildern, falls das überhaupt möglich ist“, sagte Spohr. Der Konzern habe den Familien bisher insgesamt einen zweistelligen Millionenbetrag gezahlt. Die Summen lägen individuell bei mindestens 100.000 Euro und gingen schnell in die Millionen.

Den Ermittlungen zufolge steuerte der Copilot am 24. März 2015 die Germanwings-Maschine mit Absicht in einen Gebirgsmassiv in den französischen Alpen. Später stellte sich heraus, dass der damals 27-jährige Andreas L. unter schweren Depressionen litt. Sowohl die Lufthansa als auch die Luftfahrtaufsichtsbehörde wurden dafür kritisiert, dass sie die Erkrankung nicht erkannt haben. Die Lufthansa wies die Vorwürfe zurück. „Unsere Aufgabe ist es jetzt, aus der Tragödie Schlüsse zu ziehen und die Sicherheit in der Branche zu erhöhen“, sagte Spohr.

Er war einer der ersten Airline-Chefs, die nach dem Unglück Überraschungs-Drogenkontrollen für Piloten forderten. Die Vorschrift, dass Flugzeugführer im Cockpit nicht mehr allein bleiben dürften, gehöre aber auf den Prüfstand. „Unsere Experten haben große Zweifel, ob es die Sicherheit erhöht.“ Hintergrund ist, dass der Unglückspilot eine kurze Abwesenheit seines Kollegen nutzte, um die Kontrolle über den Jet zu erlangen. Seitdem müssen in solchen Fällen stets Crewmitglieder ins Cockpit. Aus Sicht der Pilotengewerkschaft Cockpit ist die Regel fragwürdig, da im Resultat die Tür zur Flugkanzel länger geöffnet ist. Unbefugte könnten so leichter ins Cockpit vordringen.

„Das schreckliche Ereignis hat mir die Bedeutung der Sicherheit vor Augen geführt“, betonte Spohr, der selbst einen Pilotenschein in der Tasche hat. Am zweitwichtigsten sei für ihn die langfristige Zukunftsfähigkeit des Konzerns mit 120.000 Mitarbeitern.

In diesem Punkt hat die Lufthansa 2015 nur bedingt Fortschritte gemacht, da die Ausgaben trotz aller Sparbemühungen und Tarifstreitigkeiten weiter steigen. Im vorigen Jahr erhöhten sich die Kosten um 2,4 Prozent. Dank niedriger Spritpreise und steigender Passagierzahlen klingelten die Kassen trotzdem. Bei einem Jahresumsatzplus von sieben Prozent auf 32 Mrd. Euro stieg das Betriebsergebnis (bereinigtes Ebit) um 55 Prozent auf 1,8 Mrd. Euro. Die Aktionäre sollen eine Gewinnbeteiligung von 50 Cent je Titel erhalten, nachdem die Ausschüttung 2014 wegen hoher Verluste gestrichen worden war.

Nach Aussagen des Vorstands sollen die Geschäfte auch weiter gut laufen: In diesem Jahr werde das bereinigte Ebit den Vorjahreswert leicht übersteigen. Rückenwind erhält die größte Airline-Gruppe Europas durch die niedrigeren Ölpreise. Die Ausgaben für Flugzeugsprit dürften sich deshalb in diesem Jahr nur auf 4,8 Mrd. Euro summieren - eine Milliarde Euro weniger als 2015. Angesichts des Rückenwinds durch die niedrige Tankrechnung sei die Prognose sehr konservativ, sagte Jarrod Castle, Luftfahrt-Analysten bei der Bank UBS. Ähnlich sahen es die Anleger und schickten die Aktie um über sechs Prozent nach unten.

Die österreichische Tochter AUA flog voriges Jahr ebenfalls einen höheren Betriebsgewinn und mehr Umsatz ein. Das Ebit legte von 17 auf 54 Mio. Euro zu, die Erlöse um 3,2 Prozent auf 2,243 Mrd. Euro. Die Passagierzahl nahm allerdings wegen der gestrichenen Russland- und Ukraine-Flüge um 3 Prozent auf 10,8 Millionen Fluggäste ab.

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