Giora Feidman - der Mann mit der Klarinette wird 80

Tel Aviv (APA/dpa) - Morgens geht Giora Feidman manchmal in den Garten und spielt für Bäume und Blumen. Zarte Klarinettenklänge schweben dan...

Tel Aviv (APA/dpa) - Morgens geht Giora Feidman manchmal in den Garten und spielt für Bäume und Blumen. Zarte Klarinettenklänge schweben dann über den Rasen. „Die Energie in der Kommunikation mit Pflanzen existiert“, sagt er zwischen meterhohen Palmen hinter seinem Haus in Rinatja, einem Dorf in der Nähe Tel Avivs. Den Pflanzen gehe es durch die Melodien besser. „Über Musik denkst Du nicht nach, Du fühlst sie.“

Giora Feidman spielt nicht nur regelmäßig in seinem Garten. Er verzaubert auch seit Jahrzehnten vor allem Deutsche mit seiner Klezmermusik. Am Freitag (25. März) wird der Klarinettist 80 Jahre alt. Im April geht er wieder auf Tour in Deutschland und macht dabei auch Abstecher nach Österreich: Am 24. April spielt er im Wiener Ronacher, am 6. Mai im Innsbrucker Congress

Sein Markenzeichen ist es, die ersten Töne eines Konzertes vom Eingang des Saales zu spielen und zwischen dem Publikum nach vorne zu gehen. Die Zuhörer werden überrascht, müssen sich erst einmal umdrehen, ihre Vorstellung eines Konzertes überdenken. „Tradition ist ein Krebsgeschwür“, sagt der kleine Mann mit der Glatze und dem kurzen weißen Schnauzer auf Englisch. „Ich muss die Tradition aufbrechen.“

Feidman spielt vor allem die Musik seiner Vorfahren, die aus Bessarabien stammen, was dem heutigen Moldawien und der südlichen Ukraine entspricht. Es ist die Musik osteuropäischer Juden, wie sie seit Generationen auf Hochzeiten und Geburtstagen erklingt - ausgelassen und wehklagend, beschwingt und nachdenklich. Aber auch Tangos aus seiner argentinischen Heimat oder klassische Stücke gehören zu Feidmans Programm.

„In der Kunst sprechen wir die Sprache der Seele“, sagt Feidman. Das Wort „Seele“ sagt er auf Deutsch. Auf die Frage nach seinem Selbstverständnis als Musiker, holt er lieber seine Klarinette aus dem Arbeitszimmer und spielt eine kleine Melodie in der Küche bei Tee und Keksen. „Haben wir die Unterhaltung jetzt beendet?“ fragt er und lacht.

Jakob Massor vom Jüdischen Musikforschungsinstitut in Jerusalem sagt über Feidman: „Als außergewöhnlich virtuoser Klarinettist und sehr guter Musiker hat er einen einzigartigen Spielstil entwickelt, obwohl er alte traditionelle Stücke spielt.“ Das Einzigartige seien sein Klang, seine Interpretation und seine Dynamik. Wenn Feidman musiziert, klingen die Töne manchmal wie ein Hauchen oder Wimmern, manchmal wie ein Kreischen.

Feidman wurde 1936 in Buenos Aires geboren. Schon als Kleinkind faszinierte ihn das Klarinettenspiel seines Vaters. Ab und zu schnappte er sich dessen Instrument und probierte ein paar Töne. Irgendwann spielten sie gemeinsam stundenlang Duette und musizierten auf Festen.

Mit 18 Jahren wurde Feidman Klarinettist am Teatro Colon, der berühmten Oper in Buenos Aires. Mit 21 bekam er eine Anstellung beim Israelischen Philharmonieorchester in Tel Aviv. Während dieser Zeit präsentierte er einmal in der Woche mit einem Quintett israelische Stücke im Radio. Irgendwann sagte er: Wir können auch was anderes - und spielte Klezmer. Wenig später verließ er das Orchester.

In Deutschland wurde Feidman 1984 mit Peter Zadeks Inszenierung von Joshua Sobols Holocaust-Stück „Ghetto“ bekannt. Er spielte die Klarinettenmelodien in Steven Spielbergs Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ (1993) ein - für die Musik gab es einen Oscar. Auch in den deutschen Filmen „Jenseits der Stille“ von Caroline Link und „Comedian Harmonists“ (1997) von Joseph Vilsmaier war er zu hören. Die Musik stammte teilweise von seiner Frau Ora Bat Chaim.

Die israelische Komponistin, Malerin und Dichterin und Feidman heirateten 1975. Sie war damals seine Managerin. Er brachte zwei Töchter mit in die Ehe - sie einen Sohn. Heute haben sie zehn Enkelkinder. Zu seinem Geburtstag kommt die Familie im Haus seiner Tochter in Jerusalem zusammen.

Allein im April wird Feidman 17 Konzerte in Deutschland geben. „Ich liebe Deutschland“, sagt der jüdische Israeli. „Warum? Weil ich Teil der Gesellschaft bin, die Menschlichkeit ausübt.“ Der Heilungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg sei abgeschlossen. „Deutsche und Juden sind zusammen in einer Kirche in Deutschland“, sagt Feidman als Beispiel für das, was heute möglich sei. Viele seiner Konzerte spielt er in Kirchen. Für seine Verdienste um die jüdisch-deutsche Aussöhnung erhielt der Musiker 1991 das Bundesverdienstkreuz.

Auch seine nächsten CD-Projekte stehen bereits an: Im Sommer will Feidman hebräische Kammermusik aufnehmen, im Herbst Stücke der Beatles. Und wenn ihm doch einmal alles zu viel wird, dann geht er eben in seinen Garten mit den meterhohen Palmen und spielt für seine Pflanzen - mit Seele.

(S E R V I C E - http://www.giorafeidman-online.com)