Reutte hebelt Gemeindeordnung aus
Dass kleine Fraktionen in Ausschüssen nicht stimmberechtigt sein sollen, wird in Reutte nicht akzeptiert. Die Liste Luis tritt dafür zwei Sitze im Überprüfungsausschuss und die Führung im Umweltausschuss ab.
Von Simone Tschol
Reutte –Die Gemeinderatswahlen ließen in Reutte keinen Stein auf dem anderen. Selbst der große Wahlsieger Luis Oberer wurde davon überrascht. „Mein Wahlziel war, dass keine Fraktion eine absolute Mehrheit hat. Jetzt habe ich sie selbst“, erklärte er – fast ein wenig peinlich berührt – Donnerstagabend bei der konstituierenden Sitzung des Reuttener Gemeinderates im Konzertsaal der Landesmusikschule Reutte/Außerfern. Schnell wurde deutlich, dass Oberer, der mit der Liste Luis 10 der 19 Mandate besetzt, die absolute Mehrheit nicht „missbrauchen“ möchte. Oberer: „Eines ist klar. Wir werden hier im Gemeinderat keine Fraktion ausgrenzen, sondern alle miteinbinden und alle Ressourcen nutzen.“
Der Adressat dieser Botschaft ist klar: das Land Tirol. Denn nach Tiroler Gemeindeordnung hätten jene Fraktionen, die weniger als drei Mandate haben, kein Recht, in den Ausschüssen mitzuarbeiten und hätten dort auch kein Stimmrecht. Damit würden die Grünen (2 Mandate) und die SPÖ (1 Mandat) komplett durch den Rost fallen.
Oberer kritisiert dies scharf: „Da soll der Gesetzgeber mal darüber nachdenken, ob das g’scheit ist. Ein kleines Beispiel: Wir haben 5er-Ausschüsse. Im Überprüfungsausschuss gehen nach der Stärke der Fraktionen damit drei Sitze an die Liste Luis und zwei an die Liste Schuster. Die großen Fraktionen kontrollieren sich also selbst. Und das ist gesetzlich zulässig.“ Dies decke sich keineswegs mit seinem Weltbild, so Oberer. Er werde daher auf zwei stimmberechtigte Mandate im Überprüfungsausschuss verzichten, zugunsten von Grünen und SPÖ. Zwar sei bereits im Vorfeld aus Innsbruck die klare Botschaft eingelangt, dass dies nicht zulässig sei, aber Oberer will es darauf ankommen lassen und gibt sich kämpferisch: „Das werden wir schon noch sehen, wenn wir das einstimmig beschließen.“
Der neue Gemeinderat hat zudem Donnerstagabend einstimmig den Beschluss gefasst, dass die kleinen Fraktionen – wie bereits in den letzten Jahren erfolgreich praktiziert – in den Ausschüssen auch weiterhin beratend mitarbeiten können. „Mit einer Ausnahme“, sagt Oberer gegenüber der TT: „Im Umweltausschuss geht der Obmann an die Grünen – und zwar mit Stimmrecht.“
Überhaupt gebe es viel zu viel Formalismus. Der gesunde Hausverstand, der zur Führung einer Gemeinde nötig sei, finde sich in den Gesetzen nicht.
Bei der konstituierenden Sitzung wurden Michael Steskal (Liste Luis) mit 12 der 19 Stimmen zum ersten Vize, Klaus Schimana (Liste Schuster) mit sechs Stimmen zum zweiten Vize gewählt. Eine Stimme war ungültig. Als weitere Mitglieder wurden Gerfried Breuss (Liste Luis) und Elisabeth Schuster in den Gemeindevorstand bestellt.
Für die kommende Gemeinderatsperiode haben die Gemeindevorstände zudem fixe Vertreter bestimmt. Andrea Weirather für BM Luis Oberer, Markus Illmer für VBM Michael Steskal, Gerlinde Köck für Gerfried Breuss, Ernst Hornstein für VBM Klaus Schimana und Gabriele Singer für Elisabeth Schuster.
Neben Gemeinderatsurgesteinen wie Ernst Hornstein oder Elisabeth Schuster finden sich im neuen Kommunalparlament viele neue Gesichter – genau gesagt zehn. In einem kurzen Statement brachten alle die Hoffnung auf eine gute Zusammenarbeit zum Ausdruck. Am 24. März gibt’s dafür den Testlauf. Dann tagt erstmals der neue Gemeindevorstand.
Im Anschluss an die Sitzung empfing die Bürgermusikkapelle Reutte den neuen Gemeinderat mit einem zünftigen Ständchen. Die Gruppe der Schaulustigen war diesmal überschaubar.