Die wenigsten haben eine bezahlte Mittagspause
Bauarbeiter, Verkäufer, Kellnerin oder Friseurin: In der Privatwirtschaft gilt die Mittagspause nicht als Dienstzeit. Nur vereinzelt sehen innerbetriebliche Regelungen die Bezahlung vor.
Von Brigitte Warenski
Innsbruck, Wien –Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat vergangene Woche bestätigt, dass Bundesbeamte ihre Mittagspause in der Dienstzeit konsumieren dürfen. Damit reduziert sich die 40-Stunden-Woche auf eine tatsächlich geleistete Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Auch die Mitarbeiter der Sozialversicherungen bekommen ihre Mittagspause zum Teil bezahlt. Oberösterreichs Landesbedienstete genießen als einzige Landesbeamte österreichweit das Privileg, in der Dienstzeit essen gehen zu können.
So gut haben es die Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft und Tirols Landes- und Gemeindebedienstete nicht. Für sie gilt zwar wie für alle Arbeitnehmer, dass sie laut Gesetz nach sechs Stunden Tagesarbeitszeit Recht auf eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten haben. Sie müssen diese aber in ihrer Freizeit konsumieren. Damit verlängert sich der Arbeitstag – egal ob Bauarbeiter, Verkäufer, Kellnerin oder Friseurin – von 40 Stunden pro Woche (in vielen Kollektivverträgen gilt eine verkürzte Normalarbeitszeit von z. B. 38,5 Stunden) um eine halbe Stunde pro Tag. Nur „vereinzelt“ gibt es laut Österreichischem Gewerkschaftsbund Tirol „innerbetriebliche Regelungen“ mit verschiedensten Rechtsgrundlagen (Einzelvereinbarung, betriebliche Übung, Betriebsvereinbarung, Kollektivvertrag), die die Bezahlung dieser Ruhezeiten vorsehen.
Für Tirols Landes- und Gemeindebedienstete sowie für die Beamten der Landeshauptstadt (die TT berichtete) ist sogar per Erlass geregelt, dass die 30-minütige Mittagspause nicht zur Dienstzeit gehört. Das gilt derzeit auch für die 6700 Spitalsbediensteten der tirol kliniken, deren Arbeitgeber das Land ist. Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Hödl kündigte in der Tiroler Tageszeitung an, dass er die bezahlte Mittagspause hier einklagen werde. Auch Helmut Priller, Personalvertreter in der Salzburger Landesverwaltung, fordert, dass die Salzburger Landesbeamten künftig in der Dienstzeit speisen können.
Für Arbeiter und Angestellte in bestimmten Branchen gelten laut Bernhard Achatz, Experte für Arbeits- und Sozialrecht in der Tiroler Wirtschaftskammer, noch ganz spezielle Ruhe- und Pausenregelungen. Arbeitern im Schichtbetrieb, „die ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können und daher an der Maschine jausnen müssen, stehen angemessene Kurzpausen zu und diese sind Teil der Arbeitszeit. Aber das ist eine absolute Ausnahme.“ Auch beim Fahrpersonal im Personen- und Güterverkehr gibt es eine besondere Regelung: Nach 4,5 Stunden Lenkzeit ist eine Lenkpause im Ausmaß von 45 Minuten einzuhalten, die zur Arbeitszeit gehört. Bei einer Tagesarbeitszeit zwischen sechs und neun Stunden gibt es zudem eine unbezahlte Ruhepause von mindestens 30 Minuten und bei mehr als neun Stunden Arbeit „steht dem Fahrer eine Ruhepause von 45 Minuten bis zu einer Stunde zu“, so Achatz. Im Baugewerbe, wo laut Kollektivvertrag die Wochenarbeitszeit 39 Stunden beträgt, haben Arbeitnehmer das Recht auf eine Stunde unbezahlte Mittagspause.
Die Ruhepause kann laut Gesetz aus betrieblichen Gründen oder wenn es im Interesse der Arbeitnehmer liegt, in allen Branchen auch geteilt werden in 3-mal 10 Minuten oder 2-mal 15 Minuten. Dazu ist aber eine Betriebsvereinbarung oder die Zustimmung des Arbeitsinspektors notwendig.
Das Recht, die Mittagspause zu einer bestimmten Uhrzeit anzutreten, gibt es laut Achatz aber nicht. „Viele Betriebe haben eine fixe Zeit für die Ruhepause oder ein Pausenfenster in Abstimmung mit dem Arbeitnehmer.“ Für Arbeitnehmer, die am Computer arbeiten, gilt die Bildschirmarbeitsverordnung. Sie sieht vor, dass zum Schutz der Augen nach jeweils 50 Minuten ununterbrochener Bildschirmarbeit eine Pause oder ein Tätigkeitswechsel im Ausmaß von jeweils mindestens 10 Minuten erfolgt und diese Pause Teil der Arbeitszeit ist. Rauchpausen sind keine Arbeitszeit. Geraucht werden kann natürlich auch in der Ruhepause. Da sie keine Arbeitszeit ist, kann man in diesen Pausen machen, was man will. Der Arbeitnehmer ist zudem laut Achatz grundsätzlich verpflichtet, „nicht nur den Beginn und das Ende der Arbeitszeit in die Zeiterfassung einzutragen, sondern auch den Beginn und das Ende der Ruhepause“.
Gesetzliche Arbeitszeiten und Ruhepausen
Bezahlte Ruhepause: Das Bundesverwaltungsgericht hatte im vergangenen September entschieden, dass die Ruhepause, die laut Beamtendienstrecht „zu gewähren" ist, zwingend zu bezahlen ist. Der VwGH wies nun (Ra 2015/12/0051) die vom Personalamt der Post beantragte Revision zurück. Der VwGH bestätigte, dass der Spruch nicht nur für die Postbeamten, sondern für alle österreichischen Beamten gilt.
Arbeitszeit: Das Arbeitszeitgesetz definiert den Begriff Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Die gesetzliche Normalarbeitszeit beträgt wöchentlich 40 Stunden, täglich 8 Stunden. Es bestehen jedoch zahlreiche Möglichkeiten, durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung die tägliche Normalarbeitszeit auf 9 Stunden zu verlängern bzw. durch Kollektivvertrag auf 10 Stunden. Zahlreiche Kollektivverträge haben die wöchentliche Normalarbeitszeit auf 38,5 Stunden verkürzt.
Stimmen zum Thema:
Otto Leist (Vorsitzender des ÖGB Tirol): „Die bezahlte Mittagspause ist ein Ansatz, wie Mitarbeiter Wertschätzung entgegengebracht werden kann. Diese Wertschätzung könnte man durchaus allen Angestellten und Arbeiterinnen und Arbeitern zugutekommen lassen. Neid oder gar das Infragestellen der Justiz ist in meinen Augen der falsche Weg."
Bernhard Achatz (Rechtsexperte Tiroler Wirtschaftskammer): „Die Regelung bei den Bundesbeamten ist eigentlich eine versteckte Arbeitszeitverkürzung. Die Diskussion darüber ist nicht neu, sondern nur erneut entfacht durch den Verwaltungsgerichtshof. Man muss sich die Frage stellen, ob eine solche Regelung noch zeitgemäß ist."
Otto Aiglsperger (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst): „Auf Grund der verschiedenartigen Tätigkeiten im Bereich des öffentlichen Dienstes hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie von einer einheitlichen Regelung der Ruhepausen für alle Berufsgruppen abgesehen und stattdessen bedarfsgerechte Ausnahmen festgelegt. Und eine Neiddebatte zu führen, ist ja im Gegensatz dazu nicht schwer, man braucht sich nur etwas herauspicken — und isoliert betrachtet sind so genannte Privilegien immer leicht darstellbar."