„Menschen im Hotel“: Wenig prickelnde Premiere in den Kammerspielen
Wien (APA) - Champagner kann ein erfrischendes Getränk sein, das einem das Gefühl gibt, es unter die Reichen und Schönen geschafft zu haben....
Wien (APA) - Champagner kann ein erfrischendes Getränk sein, das einem das Gefühl gibt, es unter die Reichen und Schönen geschafft zu haben. Ist die Flasche zu lange offen, der Schaumwein abgestanden, verfliegt dieser Zauber. So konnte es einem am Donnerstagabend bei der wenig prickelnden Premiere von „Menschen im Hotel“ in den Kammerspielen der Josefstadt gehen: Schaler Champagner statt Champagner in Schalen.
Der Roman „Menschen im Hotel“ war 1929 der größte Erfolg der Wiener Musikerin und Autorin Vicki Baum (1888-1960). Die in einem Berliner Luxushotel der 1920er-Jahre spielende Geschichte wurde ein Bestseller und ebnete ihr den Weg in die USA. Das Buch wurde unter dem Titel „Grand Hotel“ als Broadwaystück inszeniert und mit Greta Garbo in der Rolle der alternden Primaballerina Grusinskaja verfilmt.
In den Kammerspielen, wo Cesare Lievi die 2009 in Bochum uraufgeführte Bühnenfassung von Anna Bergmann zur Österreichischen Erstaufführung brachte, sieht das „Grand Hotel“ nach einem jener mit einer Überdosis Stilwillen ausgestatteten Designhotels aus, die derzeit boomen: Bühnenbildner Maurizio Balo hat Stofftapeten mit großen Ornamenten auftragen lassen, das Interieur in Grau und Schwarz gehalten und flächige Beleuchtungspaneele installiert, die gelegentlich durch Handreichungen des Personals auch an ein Filmset erinnern sollen.
Im Hotelfoyer kreuzen sich die Schicksale unterschiedlichster Menschen. Der mächtige Generaldirektor (dämonisch-gemütlich immer am Rande des Herzinfarkts: Heribert Sasse) versucht mit seinem Rechtsbeistand (kühl: Alexander Strobele) die rettende Fusion durchzubringen, noch ehe der wahre Zustand seines Unternehmens ruchbar wird, und entflammt dabei für die „Flämmchen“ genannte Schreibkraft (Silvia Meisterle als junge Frau auf der Gratwanderung zwischen Lebenshunger und Prostitution). Einer seiner Angestellten (sichtbar leidend: Siegfried Walther) möchte, ehe die düstere Prognose seines Arztes eintrifft, ein einziges Mal auf großem Fuß leben und hat dafür seine gesamten Ersparnisse abgehoben. Das ruft den als Gentleman auftretenden adeligen Hoteldieb (aasig: Raphael von Bargen) auf den Plan, der es eigentlich auf das Perlenkollier der im Theater des Westens gastierenden und ihr unmittelbar bevorstehendes Karriereende ahnenden Primaballerina (Sona MacDonald) abgesehen hat.
Der zweistündige Abend hat drei Probleme: Ihm fehlen Aktualität, Charme und Authentizität. Man hört - trotz aller darstellerischen Handwerkskunst - kaum einen echten Ton, sieht kaum einen Menschen aus Fleisch und Blut. Kunst statt Leben. Schein statt Sein. Es sind zusammengezimmerte Schicksale aus einer Zeit der Krise und der Not, deren neuerliches Herannahen derzeit zwar immer wieder heraufbeschworen wird, die uns jedoch sicher in anderer Gestalt heimsuchen wird. Aus der Perspektive von Airbnb-Gästen oder Menschen in prekären Wohnsituationen zwischen Notquartier und provisorischer Unterbringung sehen diese „Menschen im Hotel“ ein wenig aus wie die Mitternachtsparty im Freizeitpark-Geisterhaus, dessen pittoreske Spinnweben gehegt und gepflegt werden, die aber längst niemandem mehr Schrecken einjagen. Die ersten Gäste-Bewertungen waren jedenfalls nicht von Euphorie getragen: höflicher Premierenapplaus.
(S E R V I C E - „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum, Österreichische Erstaufführung der Bühnenbearbeitung von Anna Bergmann, Regie: Cesare Lievi, Bühnenbild: Maurizio Balo, Kostüme: Birgit Hutter, Mit Raphael von Bargen, Sona MacDonald, Siegfried Walther, Heribert Sasse, Silvia Meisterle, Marianne Nentwich, Alexander Waechter, Alexander Strobele, Alexander Absenger, Robert Hager, Gregor Kronthaler, Borys Sokol, Manuel Waitz, Kammerspiele der Josefstadt. Nächste Vorstellungen 18. März sowie am 14., 15., 16., 17., 21., 22., 27., 28., 29. April, Karten: 01/42700-300, www.josefstadt.org)