Lebensversicherungen: VKI will Rücktrittsrecht prüfen lassen
Der Verein will nach nach einem OGH-Urteil Ansprüche gegenüber Versicherern geltend machen. Assekuranzbranche spielt Causa herunter.
Wien – Anfang April wird der Verein für Konsumenteninformation (VKI) das Thema möglicher Falschbelehrung über Rücktrittsmöglichkeiten beim Abschluss von Lebensversicherungspolizzen juristisch angehen. Das kündigte am Freitag im APA-Gespräch VKI-Rechtschef Peter Kolba an, der berichtete, dass man bei einer ersten Prüfung von rund 300 Verträgen bei jedem zweiten diese Problematik vorgefunden habe.
Zunächst gehe es - im Sinne einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) dazu - um die Feststellung, ob seinerzeit beim Polizzenabschluss eine falsche oder gar keine Belehrung über das Rücktrittsrecht erfolgt sei. In Fällen, wo diese Frage bejaht werden könne, müsse zudem geprüft werden, ob ein Rücktritt vom Vertrag wirtschaftlich sinnvoll sei. Denn unter Umständen sei eine Kündigung mit Rückkauf besser, so Kolba, in der Regel sei ein Rückkauf aber schlechter.
Sammelklagen „eventuell“ eine Option
In weiterer Folge werde der VKI Ansprüche gegenüber Versicherern geltend machen - für Versicherungsnehmer, die sich gegen ein kostendeckendes Entgelt dieser Aktion anschließen, so Kolba. Mit jeweils ein paar Dutzend oder hundert Fällen werde man bei einzelnen Versicherern vorstellig werden und in Gesprächen versuchen, eine Lösung zu finden. Werde auf „stur“ geschaltet, seien aber „eventuell Sammelklagen“ schon auch „eine Option“, so der VKI-Rechtschef.
Offenbar könnte es bei vielen in den letzten Jahrzehnten abgeschlossenen LV-Polizzen eine Falschberatung der Kunden über die Dauer des 30-tägigen Rücktrittsrechts gegeben haben - der Prozessfinanzierer Advofin verweist auf elf bis zwölf Millionen Verträge, die von Anfang 1994 bis Ende Juni 2012 abgeschlossen wurden und darauf, dass vielfach nur 14 Tage als Widerrufsfrist genannt worden seien.
„Nach EuGH gilt eine ewiges Rücktrittsrecht“
Zudem hätte laut OGH die Belehrung bei der Antragstellung erfolgen müssen und nicht erst mit dem Polizzenzugang. Trifft einer dieser Punkte zu, räumt der OGH selbst für abgelaufene Verträge ein Rücktrittsrecht samt Rückabwicklung an. Der steirische Anwalt Wolfgang Sieder hatte kürzlich erklärt: „Wir haben mehrere hundert Polizzen geprüft und bei 85 Prozent der Fälle ist das Widerrufsrecht fehlerhaft.“ Er kam in einer Expertise zum Schluss, dass aufgrund von EuGH- und OGH-Urteilen „eine fehlerhafte Belehrung genauso zu behandeln ist als hätte gar keine Belehrung stattgefunden“. Gehe es nach dem EuGH, gelte ein „ewiges Rücktrittsrecht“.
Die Assekuranz versucht, das Thema herunterzuspielen. Die zum VIG-Konzern gehörende Wiener Städtische erklärte, aus jetziger Sicht gehe man davon aus, „dass dieses Thema für die Wiener Städtische von keiner wirtschaftlichen Relevanz ist“. Auch die neue VIG-Chefin Elisabeth Stadler verwies diese Woche darauf: Man habe einige Anfragen, gehe aber davon aus, dass dies für die VIG keine wirtschaftliche Relevanz habe.
Aus der „s-Versicherung“ hieß es, man sei aktuell nicht betroffen, es könnte sich aber um Einzelfälle handeln. Bei Generali räumt man ein, dass es „einige Kunden“, gebe, „die aufgrund des OGH-Urteils den Rücktritt vom Vertrag aussprechen“ - hier sei aber jeder Einzelfall zu prüfen. Grundsätzlich habe Generali korrekt belehrt, eine Rücktrittswelle aufgrund des OGH-Urteils erwarte man daher nicht. Nicht betroffen fühlt sich die Allianz, deren Chef Wolfram Littich rechnet nicht mit Klagen, man habe das schon im Antragsstadium gelöst. APA)