EU-Türkei-Deal - Experte: Nur Kollektivabschiebungen wären illegal
Brüssel/Wien (APA) - Verstößt die Rückführung von Flüchtlingen im EU-Türkei-Deal gegen Völkerrecht? Menschenrechtsexperte Manfred Nowak sagt...
Brüssel/Wien (APA) - Verstößt die Rückführung von Flüchtlingen im EU-Türkei-Deal gegen Völkerrecht? Menschenrechtsexperte Manfred Nowak sagt, dass sich das nicht generell beantworten lasse. „Illegal ist nur eine Kollektivrückschiebung“, sagte er am Freitag im APA-Gespräch. Man müsse jeden Einzelfall genauestens prüfen und bei den geplanten Schnellverfahren jedenfalls rechtsstaatliche Garantien einhalten.
„Jeder Mensch, der nach Griechenland kommt und an der Grenze um Asyl ansucht, hat ein Recht auf ein rechtsstaatlichen Verfahren, in welchem entschieden wird, ob er ein Flüchtling ist - egal ob es ein Schnellverfahren ist oder nicht“, erklärt Nowak. Allerdings mahnt der Wiener Universitätsprofessor zur Genauigkeit, denn es gilt zu prüfen „ob die Gefahr besteht, dass diese Person nach der Rückschiebung in die Türkei wieder nach Syrien, den Irak oder Afghanistan zurückgeschickt werden könnte.“ Es sei also notwendig, dies in Einzelverfahren genauestens zu prüfen.
Die geplanten Schnellverfahren würden auch gewisse Gefahren bergen. „Rechtsstaatliche Garantien müssen trotzdem eingehalten werden.“ Ein Asylverfahren, wo es keine zweite Instanz gibt, sei nicht zulässig, betonte Nowak. Ein schnelleres Verfahren einzuführen, sei aber für alle Beteiligten sinnvoll.
Obwohl die Türkei bei der Unterzeichnung der Genfer-Flüchtlingskonvention einen Vorbehalt auf Flüchtlinge aus Europa gemacht habe, sei sie „Mitglied der Genfer-Flüchtlingskonvention“. Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan, die in die Türkei kommen, würden zwar „nicht wie bei uns einen normalen Antrag auf Asyl stellen“, sondern „werden im Prinzip einfach herein gelassen und versorgt“, erklärt der Menschenrechtsexperte. Dies geschehe allerdings in enger Zusammenarbeit mit dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge.
„Die Türkei hat faktisch drei Millionen Menschen Schutz gewährt. Flüchtlinge - außer es sind Kurden - können ohne weiteres in die Türkei wieder zurückgeschickt werden. Es geht ihnen dort nicht schlechter als es ihnen vorher gegangen ist“, so der Jurist.
Allerdings sieht Novak die geplante Deklarierung der Türkei als sicheres Drittland kritisch: „Meiner Meinung nach ist die Türkei nicht als sicheres Drittland einzustufen. In der Türkei hat sich die Menschenrechtssituation in letzter Zeit weiter verschärft. Stichwort Medienfreiheit, die gesamte Repression gegen die Kurden, Verschlechterung der demokratischen Kultur und die zunehmenden autoritären Tendenzen. All das spricht nicht dafür, die Türkei als sicheres Drittland einzustufen“, warnt der Menschenrechtsexperte.
Mit Blick auf den EU-Türkei-Deal sagte Nowak, es sei sinnvoll, dass in der Asylpolitik nun endlich eine Entscheidung getroffen worden ist. Allerdings müsse die EU „natürlich überprüfen, ob diese Milliarden auch wirklich für den Schutz der Flüchtlinge eingesetzt werden“ und man müsse auch „überprüfen, was mit den Leuten passiert, die jetzt von Griechenland in die Türkei überstellt werden“, so Nowak.
(Das Gespräch führte Veronika Ebner/APA)