Eisbrecher Obama im Reich der Castros

Havanna (APA/dpa) - Aus seinem Zimmer im altehrwürdigen Hotel Nacional kann Obama direkt auf die antiimperialistische Bühne „Jose Marti“ bli...

Havanna (APA/dpa) - Aus seinem Zimmer im altehrwürdigen Hotel Nacional kann Obama direkt auf die antiimperialistische Bühne „Jose Marti“ blicken. Fidel Castro ließ sie damals in Havanna direkt vor die Botschaft des kapitalistischen Erzfeindes USA bauen. Auch Wandparolen wie „Venceremos“ (Wir werden siegen) und „Sozialismus oder Tod“ sind noch zu finden.

Ansonsten aber hat Havanna ein sanfter Wandel erfasst, der nun gekrönt wird durch den Besuch des US-Präsidenten - des ersten seit Calvin Coolidge im Jahr 1928.

Obama hat für die Revision der US-Politik, die den sozialistischen Karibikstaat lange verteufelte, in Staatschef Raul Castro einen verlässlichen Partner gefunden. Dessen Bruder, der heutige Revolutionspensionär Fidel, heißt die Annäherung öffentlich nicht gut - er hat mehrere Attentatsversuche überstanden und vermutete die CIA als Urheber.

Fidel Castro hatte das Land nach der Revolution an die Sowjetunion gekettet. Die Kuba-Krise führte die Welt 1962 an den Rand eines Atomkrieges, wegen der Stationierung sowjetischer Atomraketen auf der Insel. Obama hat zwar keine besonders aktive Lateinamerika-Politik betrieben, aber bleiben wird die Annäherung an Kuba: Seit Juli 2015 unterhalten die Staaten wieder reguläre diplomatische Beziehungen.

Kurz vor dem Abflug dachte sich Obama noch einen kleinen Eisbrecher aus. Der Adressat: das kubanische Volk. Der US-Präsident telefonierte mit Panfilo, einem populären kubanischen Komiker, der sich nicht scheut, Witze über den Alltag in einer Mangelwirtschaft zu machen. Obama im typisch kubanischen Slang: „Que vola?“ - „Wie geht‘s?“

Panfilo entgegnet verdutzt: Spreche ich mit dem „echten Obama“? Der Präsident betont, das amerikanische und kubanische Volk verbinde heute Freundschaft. Panfilo meint, sie könnten ja in Havanna einmal ein Bier trinken und Domino spielen. „Ich kann Sie auch mit meinem alten Moskwitsch am Flughafen abholen.“ Das sei das kubanische „Beast“, witzelt Panfilo in Anspielung auf Obamas gleichnamige Limousine.

Nun hat Obama ein dichtes Programm bis Dienstag, da bleibt für Domino wohl eher weniger Zeit. Treffen und Staatsdinner mit Raul Castro, Diskussion mit Unternehmern und eine im kubanischen Staatsfernsehen übertragene Rede, in der er sicher die kritische Menschenrechtslage ansprechen wird.

Die Erwartungen sind groß. Kubaner tragen US-Shirts, einige Frauen haben Kleider mit den berühmten Stars and Stripes angezogen. Taxifahrer Ivan meint: „Das wird alles ändern.“ Es werde danach mehr ausländische Investitionen geben. Zeiten des Wandels - getreu des Architekten der deutschen Ostpolitik, Egon Bahr, wollen die USA einen Wandel durch Annäherung. Und Castro fährt einen vorsichtigen Öffnungskurs.

500.000 Kubaner sind mittlerweile im Privatsektor aktiv, eröffnen Restaurants und Unterkünfte. Es gibt auch eine wachsende Zahl von Internet-Hotspots, aber für die meisten sind zwei Dollar für die Stunde Internet unerschwinglich. Und: Hunderte Dissidenten wurden wie schon beim Papstbesuch 2015 kurzzeitig festgenommen, Einschüchterungsmaßnahmen, aber die Repression ist längst nicht so stark wie noch vor einigen Jahren. Auch hier: Zeiten des Wandels - die Kubaner reden offen über Missstände und die alternde Revolution.

Auf dem Programm stand auch ein Spaziergang mit Ehefrau Michelle durch die Stück für Stück renovierte Altstadt von Havanna. Es gibt hier einen großen Nachholbedarf - gute Geschäfte locken. Auch im Autosektor: Die meisten Straßenkreuzer sind älter als die Revolution von 1959. In dem Jahr, als das Embargo begann (1962), war Obama gerade erst ein paar Monate alt.

US-Firmen wollen gerade im Tourismussektor investieren, allein 2015 soll es schon 70 Prozent mehr US-Besucher gegeben haben - aber Direktflüge gibt es immer noch nicht. Seit wenigen Tagen aber immerhin wieder einen direkten Postverkehr. Ungewiss ist weiterhin, ob und wann das Embargo ganz fallen wird.

Raul Castro könnte 2018 die Macht in die Hände von Vizepräsident Miguel Diaz-Canel (55) legen, das wäre der erste Nicht-Castro seit der Revolution. Er soll laut „Economist“ ein Fan der Rolling Stones sein, die nach Obamas Besuch am Freitag vor mehreren zehntausend Menschen in Havanna rocken sollen. Noch so ein Signal der Öffnung. Und Obama nutzt neben seiner Beliebtheit auf der Insel auch den Sport als Vehikel, er wird ein Spiel von Kubas Baseball-Nationalmannschaft gegen die Tampa Bay Rays aus Florida besuchen. Baseball ist in beiden Ländern ein Nationalsport.

Manche sprechen schon von Obamas Baseball-Diplomatie - in Anlehnung an die historische Annäherung der USA an China mittels Tischtennis: Der damalige Präsident und Antikommunist Richard Nixon reiste 1972 nach Peking und traf den kommunistischen Staatsgründer Mao Zedong - dies ist von der geostrategischen Bedeutung höher zu bewerten als die Abkehr von der Isolierung Kubas. Aber dennoch ist die Visite historisch, 1500 Journalisten begleiten sie in Havanna. Der „Economist“ zeigt Obama auf dem neuen Titel passend dazu mit Cohiba-Zigarre und einem kleinen Wortspiel: „Cubama“.