Viel Feind‘, viel Ehr‘: Motivierter „Fürst Igor“ in der Volksoper
Wien (APA) - Viel Feind‘, viel Ehr‘. Nicht nur „Fürst Igor“ dürfte dies wissen. Trotz einer hoch motivierten Inszenierung der posthum vervol...
Wien (APA) - Viel Feind‘, viel Ehr‘. Nicht nur „Fürst Igor“ dürfte dies wissen. Trotz einer hoch motivierten Inszenierung der posthum vervollständigten russischen Nationaloper von Alexander Borodin musste sich Regisseur Thomas Schulte-Michels einige Buh-Rufe anhören. Zu Unrecht: Die runde Erzählung und herzhafte Darsteller sorgten Samstagabend für einen Höhepunkt in der Geschichte der Volksoper.
Es ist kein Wiener Fürstchen, das die Bühne der Volksoper erobert: Sebastian Holecek nimmt als aus Kriegsgefangenschaft fliehender Machthaber das Publikum mühelos ein. Schwer dürfte es ihm nicht gefallen sein: Regisseur und Bühnenbildner Schulte-Michels hat ein stimmiges Setting auf die Bühne der Volksoper gezaubert. Neben der kriegstreiberischen Düsternis im Heimatland lockt die Gefangenschaft durch Khan Kontschak mit Willkommenskultur, gebettet im Sonnenblumen-Feld. Der Kampf gilt der Verführung durch das „Exotische“.
Nicht zuletzt die schon zu Zeiten der Uraufführung gefeierten Polowetzer Tänze vereiteln jeden Fluchtgedanken. Choreografin Teresa Rotemberg hat sich getraut, das Wiener Staatsballett mit Straßenkünstlern zu paaren - etwa mit Breakdance-Einlagen sowie einem Diabolo-Jongleur, was die Traditionalisten im Premierenpublikum endgültig verstört haben dürfte. Egal, die echten Feinde Igors lauern nicht in den Logen, sondern zu Hause: Jene Wendehälse, die während des verloren geglaubten Feldzugs auf die setzen, welche mit Wein, Weib und Gesang locken.
Ausnahmslos vom Publikum gefeiert wurden die Stimmen. Neben dem bombastischen Titeldarsteller überzeugten sämtliche Solisten, etwa Melba Ramos als Fürstin Jaroslawna, die ihren dekadent-umstürzlerischen Bruder Galitzky, virtuos-ekelhaft gemimt von Martin Winkler, in die Schranken weisen muss. Auch Vincent Schirrmacher als des Fürsten Sohn Wladimir werden anfängliche Wackler in den Höhen angesichts vokalen Sturms und Drangs verziehen. Als Khan Kontschak vereinnahmt Sorin Coliban.
Auch der Chor der Volksoper beteiligt sich am musikalischen Eroberungszug - nicht polternd, sondern lyrisch ausdifferenziert. Dirigent Alfred Eschwe arbeitet beständig weiter am der Verfeinerung des Orchesters, was bereits bei den ersten Streicherklängen im Prolog zu hören ist und sich mehr als zwei Stunden lang halten lässt. Ein vereinzelter Buh-Ruf nach der Premiere dürfte einem zwischenzeitlichen Amok-Lauf des in den Logen platzierten Blechs, allen voran einer verstörend dröhnenden Tuba, geschuldet gewesen sein.
Auch die traditionelle Bevorzugung der deutschen Sprache durch das Haus trübt diese Produktion kaum. In diesem Fall hat sich Christoph Wagner-Trenkwitz fast pragmatisch dem russischen Originaltext angenähert. Mit diesem „Fürst Igor“ setzt die Volksoper jenen Weg fort, von manchen nicht mehr als zweitrangiges Haus hinter der Staatsoper belächelt zu werden. Und selbst die „Feinde“ der Inszenierung wurden diesmal - wie auch im Haus am Ring - zu liebenswürdigen Mitstreitern.
(S E R V I C E - „Fürst Igor“ von Alexander Borodin in der Volksoper, Währingerstraße 78, 1090 Wien. Regie und Bühnenbild: Thomas Schulte-Michels, Kostüme: Renate Schmitzer, Dirigent/Arrangement: Alfred Eschwe, Choreografie: Teresa Rotemberg, Choreinstudierung: Holger Kristen. Mit Sebastian Holecek - Fürst Igor, Melba Ramos - Jaroslawna, Vincent Schirrmacher - Wladimir, Martin Winkler - Fürst Galitzky, Sorin Coliban - Kontschak, Annely Peebo - Kontschakowna, Karl-Michael Ebner - Owlur, Stefan Cerny - Skula, Christian Drescher - Eroschka, Levente Szöke - Ein Bojar. Weitere Aufführungen am 22. März sowie am 1., 4., 7., 10., 13., 18., 20. und 24. April. Karten unter 0043 (1) 5131513. www.volksoper.at)