Osterfestspiele Salzburg: Dunkler „Otello“ mit einigen Lichtblicken

Salzburg (APA) - Die meisten Zuschauer hielten am Samstagabend wohl kurz inne, als sie nach der Eröffnungspremiere der 49. Osterfestspiele S...

Salzburg (APA) - Die meisten Zuschauer hielten am Samstagabend wohl kurz inne, als sie nach der Eröffnungspremiere der 49. Osterfestspiele Salzburg aus dem Großen Festspielhaus traten - mussten sich die Augen doch erst an die relative Helligkeit gewöhnen, die im Verhältnis zu Vincent Boussards weitgehend im Dunklen spielender „Otello“-Inszenierung in den nächtlichen Straßen herrschte.

Schwarze Wand, eine weiße Tür und ein überlanger Tisch - fertig ist die typische Boussard-Operninszenierung. Das ist zugegebenermaßen etwas zugespitzt, trifft aber den Kern. Auch bei Giuseppe Verdis Spätwerk ist alles ästhetisch wie ein Designerloft gehalten - und ebenso kalt. So wird das Geschehen um den schwarzen Feldherrn der Venezianer, der wegen einer Intrige seines Untergebenen Iago seine Frau Desdemona umbringt, in einen zeitlosen Nicht-Raum verlegt. Am besten ist Boussards Konzept dann, wenn der Franzose den enormen Bühnenraum des Großen Festspielhauses für die Liebes- und die Mordszene optisch verkleinert und im schwarzen Nichts eine weiß leuchtende Kammer scheinbar schweben lässt.

Das eigentliche Problem ist jedoch, dass Boussard die Personenführung nicht nur vernachlässigt, sondern schlicht negiert. Letztlich setzt er über weite Strecken auf schlichtes Rampentheater ohne Interaktion der Beteiligten, was durch die spärliche Ausleuchtung notdürftig kaschiert wird. In den meisten konzertanten Aufführungen agieren die Sänger mehr miteinander.

Ein wehender Gazevorhang, der zum stürmischen Auftakt des Dramas von den Videoprojektionen Isabel Robsons bespielt in den Zuschauerraum weht, ist noch das Dynamischste. Überhaupt kommt den Projektionen eine tragende Rolle zu, sind sie doch meist die einzigen Farb- und oft genug auch Lichtakzente auf der Bühne, dabei - wie stets bei Boussard - abstrakt gehalten und an Mikroskopaufnahmen erinnernd.

So hat die Gestaltung des düsteren Geschehens auch immer wieder überzeugende Momente. Die sparsame Ausleuchtung ermöglicht etwa den optischen Effekt, Charaktere gleichsam im Dunkel verschwinden oder sich aus diesem herausschälen zu lassen. Boussards Einführung eines einsamen, schwarzen Schicksalsengels, der das Geschehen als stumme Figur mitverfolgt und -erleidet, verleiht dem menschlichen Leiden eine subtile Transzendenz.

Auch Christian Thielemann schien sich mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden dem dunklen Grundduktus des Abends anzupassen. Über weite Strecken prägten eher Zurückhaltung oder unheilschwangerer Pathos die Interpretation im Orchestergraben. Schmelzige Italianita stand selbst beim Trinklied nicht am Programm.

In dieses Bild fügte sich in gewissem Sinne auch die Sängerriege ein. Jose Cura - als Dirigent und Regisseur selbst mit dem „Otello“ eng vertraut - war für die Titelrolle für den ursprünglich vorgesehenen Austro-Südafrikaner Johan Botha eingesprungen und präsentierte seinen cholerischen Feldherrn mit solider Stimmführung, allerdings doch etwas schaumgebremst im Ausdruck.

Salzburg-Liebling Dorothea Röschmann überzeugte wieder einmal mit sattem, immer aber auch geradlinigem Schmelz. Und Carlos Alvarez, der für Dmitri Hvorostovsky eingesprungen war, der seine Teilnahme ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen hatte absagen müssen, ist ein sonorer und solider Iago, der als Bösewicht eine überschaubar diabolische Aura besitzt.

Applaus gab es am Ende für das gesamte Ensemble, wobei beim Schlussapplaus ein stilbildender Künstler der Aufführung fehlte: Modeschöpfer Christian Lacroix, Stammpartner für die Kostüme bei Boussard-Inszenierungen, war in Paris geblieben - wozu ihn ein eingeklemmter Ischiasnerv zwang.

Dabei hätten seine verhältnismäßig aufwendigen, historisierenden Kostüme als stilprägende Farbelemente des Abends vermutlich Zustimmung bekommen. Vielleicht klappt es ja kommendes Jahr in der sächsischen Landeshauptstadt, der Heimat der Staatskapelle. In Dresden ist die Koproduktion mit der Semperoper ab dem 23. Februar 2017 zu sehen.

(S E R V I C E - „Otello“ von Giuseppe Verdi bei den Salzburger Osterfestspielen, Großes Festspielhaus, Hofstallgasse 1, 5020 Salzburg. Musikalische Leitung der Sächsischen Staatskapelle Dresden: Christian Thielemann, Regie: Vincent Boussard, Bühnenbild: Vincent Lemaire, Kostüme: Christian Lacroix. Mit: Jose Cura - Otello, Dorothea Röschmann - Desdemona, Carlos Alvarez - Iago, Benjamin Bernheim - Cassio, Christa Mayer - Emilia, Georg Zeppenfeld - Lodovico, Bror Magnus Tödenes - Rodrigo, Csaba Szegedi - Montano, Gordon Bintner - Araldo und Sofia Pintzou - Un Angelo. Weitere Aufführung am 27. März. Karten: 0662/8045361 oder 0662/8045362. http://go.apa.at/C7ZNJdiP)

(A V I S O - Die APA hat am gestrigen Samstag (19. März) zwei Videosnippets zur Eröffnung der Osterfestspiele versendet. Sie sind im AOM abrufbar.)