Piegger: „Mich wundert nicht, dass es alle bleiben lassen“
Mit 80 blickt der Sistranser Metzgermeister Josef Piegger sen. auf ein vielfältiges Leben zurück – und eine Branche, in der es immer härter wird.
Von Michael Domanig
Sistrans – Sein 80er liegt noch nicht lange zurück, am Tiroler Landesfeiertag feierte er Namenstag – und in Anlehnung an seinen Namenspatron könnte man auch ihn als eine Art regionalen „Nährvater“ bezeichnen: Josef Piegger sen., bekannter Fleischermeister aus Sistrans, hält im Gespräch mit der TT Rückschau auf ein ereignisreiches Leben.
Als viertes von sieben Kindern wuchs Josef auf einem Bauernhof im Unterdorf auf. Irgendwann „unterm Erdäpfelaufklauben“ habe er sich dann gedacht, dass „wir nicht alle am Hof bleiben können“. Von seiner Entscheidung, das Metzgerhandwerk zu erlernen, war der Vater zunächst nicht begeistert, ließ sich schließlich aber überzeugen. Mit 18 begann Josef Piegger seine Lehre im „Wilden Mann“ in Lans – damals Gasthof und Metzgerei – bei der legendären Paula Schöpf. Schon in seiner Ausbildungszeit stach er durch Wissbegier hervor. Einmal, als es galt, das Gewicht von Zuchtvieh einzuschätzen, habe ihn der Fachlehrer sogar vor die Tür gesperrt, „weil ich den anderen geholfen habe“. Mit Tieren kannte sich Josef seit jeher bestens aus – am elterlichen Hof hatte er besonders mit Norikern gearbeitet.
Es folgten dreieinhalb Jahre bei der Firma Wolf, einer Großmetzgerei in Schwaz. 1960 setzte Piegger dann den Schritt in die Unabhängigkeit – und zwar ziemlich abrupt: Zu seiner späteren Frau Erna, die er in Schwaz kennen gelernt hatte, sagte er: „Am 18. Juni wird geheiratet, denn am 1. Juli sperren wir den Betrieb auf.“ Und genauso kam es. In einem Haus in der Sistranser Kirchgasse „fingen wir mit 0 Schilling und zwei Stück Vieh an“, erinnert sich Piegger. Angestellte gab es zunächst keine – neben der Gattin packten auch Eltern und Nachbarn mit an. Zwei Rinder und sechs Schweine wurden anfangs pro Woche geschlachtet. „Wir mussten alles händisch lupfen“, erzählt Piegger, von Aufzügen war noch keine Rede.
1970 folgte die erste große Erweiterung – mit dem bis heute bestehenden Schlachthaus und einem großen Kühlraum. „Damals dachten die Leute, ich spinne.“ Doch das unternehmerische Risiko – „auch wenige Schilling haben wir sofort wieder investiert“ – zahlte sich aus. Schritt für Schritt baute Piegger die Dorfmetzgerei zu einem der bekanntesten Tiroler Fleischereibetriebe aus. Seine fünf Kinder (zwei Söhne, drei Töchter) arbeiten bis heute alle im Betrieb, Geschäftsführer ist inzwischen Josef Piegger junior. Die Produktionsmengen haben sich vervielfacht, doch das Vieh wird nach wie vor bei Bauern in der Region gekauft. „Die Menschen müssen Bezug zur Ware haben“, meint Josef jun. Nicht zufällig habe man gerade während der BSE-Krise in den 90ern stark zugelegt.
Während die Firma Piegger heute über rund 60 Mitarbeiter, Filialen in Aldrans und Lans sowie bedeutende Standbeine im Bereich Messegastronomie und Catering verfügt, geht die Zahl der klassischen Dorfmetzger in Tirol kontinuierlich zurück. „Uns wundert es nicht, dass es alle bleiben lassen“, sind sich Vater und Sohn einig: Immer komplexere Auflagen, Kontrollen und Bürokratie würden viel Zeit, Geld und Nerven kosten. Zentral sei es auch, die Kunden aktiv aufzusuchen: „Wer hinterm Tresen gewartet hat, den gibt es heute nicht mehr.“
Josef Piegger sen., zehnfacher Großvater und seit 1996 Träger der Verdienstmedaille des Landes, hat Dorf und Region nicht nur beruflich geprägt: Er ist auch Mitbegründer der Schützenkompanie, seit über 60 Jahren bei Sportverein und Feuerwehr sowie Förderer diverser sozialer Einrichtungen und Vereine in der Region. Auch im Innungsausschuss, in der Gemeindepolitik und im Wirtschaftsbund brachte er sich aktiv ein. Nach dem Tod seiner Gattin lebt er heute mit seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls Erna heißt, direkt neben dem Betrieb, den er aufgebaut hat. „Ich halte mich komplett aus dem Geschäft heraus“, meint der Senior. Sein Sohn sieht das etwas anders: „Der Vater denkt immer mit.“